Verkehrsrecht

Cannabis am Steuer - Was passiert jetzt?

29.09.2022
Zuletzt bearbeitet am: 29.09.2022

Mit diesem Beitrag gebe ich einen kurzen Überblick über die Rechtsfolgen nach einer Fahrt unter Einfluss von Cannabis.

Zunächst ist es für Betroffene wichtig, zwischen verschiedenen rechtlichen Problemkreisen zu unterscheiden. Diese stehen zwar in engem rechtlichen, nicht aber zwingend im engen zeitlichen Zusammenhang, z.B. tauchen fahrerlaubnisrechtliche Fragestellungen oft erst lange nach Abschluss des Straf- oder Ordnungswidrigkeitenverfahrens auf.

Kommt es zu einem Unfall, stehen auch versicherungsrechtliche Probleme an. Denn betreffend die Kfz-Haftpflichtversicherung kommt ein betragsmäßig begrenzter Regress in Betracht. Die Vollkaskoleistung können Sie sogar vollständig verlieren. Das soll aber nicht Gegenstand dieses Beitrages sein. Wir gehen im Folgenden von einer Cannabisfahrt OHNE Unfall aus.

Bei Cannabis sind mehrere Werte zu unterscheiden. Hauptsächlich kommt es auf den THC-Wert (aktiver Wert) und den THC-COOH-Wert (THC-Carbonsäurewert, Abbauwert oder Langzeitwert) an. Daneben wird in manchen Fällen auch der THC-OH-Wert ermittelt. Dieser gibt Anhaltspunkte für einen zeitnahen Konsum, da er innerhalb weniger Stunden auf Null zurückgeht.

Der „Grenzwert“ bei Cannabis liegt nach der ganz überwiegenden Rechtsprechung (Ausnahme Bayern) bei einem THC-Gehalt von 1,0 ng/ml. Liegt der Wert darunter, sind Sie nach derzeitigem Stand der Wissenschaft nicht unter der Wirkung von Cannabis gefahren. Eine Strafbarkeit kommt dann nicht in Betracht, ebenso wenig eine Ordnungswidrigkeit.

Liegt der THC-Wert bei 1,0 ng/ml oder darüber, so wird zunächst ein Strafverfahren gegen den oder die Beschuldigte(n) eingeleitet. Eine Bestrafung wegen Trunkenheitsfahrt nach § 316 StGB kommt aber nur in Betracht, wenn – unabhängig von der tatsächlichen Höhe des THC-Wertes – verkehrsbezogene Ausfallerscheinungen nachweisbar sind. Typische Ausfallerscheinungen sind beispielsweise Schlangenlinien, das Überfahren von Bordsteinen, etc..

Sind solche Ausfallerscheinungen feststellbar, folgt eine Bestrafung – bei erwachsenen Beschuldigten häufig durch Strafbefehl - und eine Entziehung der Fahrerlaubnis durch das Gericht. Der Beschuldigte muss dann bei der Fahrerlaubnisbehörde die Neuerteilung der Fahrerlaubnis beantragen.

Sind solche Ausfallerscheinungen nicht feststellbar, so liegt, auch bei sehr hohen THC-Werten, keine Strafbarkeit nach § 316 StGB vor. Die Staatsanwaltschaft stellt dann das Verfahren mangels hinreichenden Tatverdachts ein und gibt die Akte an die Bußgeldstelle ab. Dem Betroffenen wird sodann „nur noch“ eine Ordnungswidrigkeit, konkret ein Verstoß gegen § 24 a Absatz 2 StVG, vorgeworfen. Satz 1 dieser Vorschrift lautet:

„Ordnungswidrig handelt, wer unter der Wirkung eines in der Anlage zu dieser Vorschrift genannten berauschenden Mittels im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug führt. …“

Rechtsfolge ist ein Bußgeldbescheid über 500,00 Euro und ein Fahrverbot von einem Monat. Wird dem Betroffenen Vorsatz vorgeworfen, verdoppelt sich die Geldbuße.

Mit der Rechtskraft des Bußgeldbescheides sind Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren abgeschlossen.

Bei einem solchen Ablauf – also einer Entscheidung im Bußgeldverfahren - tritt der Betroffene das Fahrverbot an und erhält dann seinen Führerschein zurück. Betroffene gehen dann häufig davon aus, dass „nichts mehr kommt“. Denn Ihnen wurde die Fahrerlaubnis nicht vom Gericht entzogen.

Tatsächlich aber erhält die Fahrerlaubnisbehörde spätestens nach Abschluss des Bußgeld- oder Strafverfahrens eine Information über die Cannabisfahrt, häufig auch schon früher. Daraufhin wird ein fahrerlaubnisrechtliches Verfahren zur Klärung der Frage eingeleitet, ob der Betroffene geeignet ist, Fahrzeuge im Straßenverkehr zu führen. Für die Frage der Eignung bzw. die Frage, welche Maßnahme die Behörde ergreift, ist entscheidend, ob ein einmaliger, ein gelegentlicher oder ein regelmäßiger Konsum von Cannabis vorliegt.

Die Behörde prüft in diesem Zusammenhang unter anderem vorab, wie hoch der THC-COOH Wert (Langzeitwert) ist. Aber auch Einlassungen des Betroffenen und sonstige Tatsachen aus der Bußgeld- bzw. Strafakte werden von der Behörde geprüft. Die Fahrerlaubnisbehörde erhält hierfür nicht nur Einsicht in die Bußgeldakte sondern holt auch weitere Auskünfte ein (Fahrerlaubnisregisterauszug, polizeiliche Auskünfte, BZR-Auszug, …). In diesem Zusammenhang kann es auch passieren, dass andere, allgemeine Strafsachen, die ebenfalls Eignungszweifel wecken, auf den Tisch kommen. Damit wollen wir uns in diesem Beitrag aber nicht beschäftigen.

Zu beachten ist im Fahrerlaubnisverfahren, dass es sich, auch wenn es Betroffene häufig anders empfinden, bei Maßnahmen der Fahrerlaubnisbehörde nicht um Strafmaßnahmen sondern letztlich um verwaltungsrechtliche Maßnahmen zur Sicherung des Straßenverkehrs handelt. Dass es sich nicht um Strafverfahren handelt, bedeutet auch, dass die strafrechtlichen Grundsätze, wie etwa, dass Schweigen nicht zum Nachteil des Betroffenen gewertet werden darf oder im Zweifel zu Gunsten des Betroffenen zu entscheiden ist, keine Geltung beanspruchen.

Der Betroffene ist hier in der „Bringschuld“. Er muss daran mitwirken, dass seine Eignung festgestellt wird. Nimmt er an rechtmäßig angeordneten Maßnahmen nicht teil, wird ihm die Fahrerlaubnis entzogen.

Liegt einmaliger Konsum vor, was so gut wie nie vorkommt und bereits anhand des Langzeitwertes widerlegbar ist, ist keine weitere Maßnahme veranlasst.

Meistens liegt gelegentlicher Konsum vor. Dieser wird bereits bei eingeräumtem zweimaligen Konsum angenommen und steht bei einem THC-COOH-Wert von mehr als 5 ng/ml praktisch fest.

Bei gelegentlichem Konsum wird die Behörde eine medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU) anordnen, um die Frage zu klären, ob der Betroffene zukünftig zwischen dem Konsum und dem Führen eines Fahrzeugs im Straßenverkehr trennen können wird.

Bei regelmäßigem Konsum, welcher ab 75 ng/ml THC-COOH-Wert anzunehmen ist, wird die Fahrerlaubnis entzogen.

Wie bereits erwähnt, sind für das Konsumverhalten nicht nur die Blutwerte maßgeblich, sondern auch die Erkenntnisse aus dem Straf- oder Ordnungswidrigkeitenverfahren. Wer im Strafverfahren von seinem Recht zu Schweigen Gebrauch macht, wird in dem oft Monate später angestoßenen Fahrerlaubnisverfahren mit entlastenden Angaben (z.B. versehentliche Einnahme oder einmaliger Konsum) in der Regel nicht mehr gehört.

Wer mit Cannabis am Steuer erwischt wurde, sollte sich also nicht nur fragen, ob und wie er sich äußert, sondern vor allem auch wann. Letztlich kann wegen der Komplexität dieser Verfahren und den erheblichen Rechtsfolgen für Betroffene, nur angeraten werden, sich sofort nach dem Verstoß an einen Fachanwalt für Verkehrsrecht zu wenden.

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Dominik Weiser
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