München (jur). Die windigen und milliardenschweren Cum-ex-Geschäfte mit Aktien waren auch schon vor 2012 unzulässig. Ein Anspruch auf mehrfache Erstattung der nur einmal abgeführten Kapitalertragsteuer auf Dividenden ist rechtlich ausgeschlossen, entschied der Bundesfinanzhof (BFH) in München in einem am Dienstag, 15. März 2022, bei seiner Jahrespressekonferenz bekanntgegebenen Urteil (Az.: I R 22/20).
Bei Cum-ex-Geschäften geht es um Aktienhandel im Umfeld der Dividendenausschüttung. Dabei wird noch vor der Ausschüttung, also noch mit („cum“) Dividende, ein Kaufvertrag über Aktien geschlossen. Der Käufer erhält die Aktien aber erst nach der Ausschüttung, also ohne („ex“) Dividendenanspruch. Entsprechende Dreiecks- oder Kreisgeschäfte führten angeblich dazu, dass ein und dieselbe Aktie im Zeitpunkt der Dividendenausschüttung im Besitz mehrerer Personen war.
Von einer auszuschüttenden Dividende werden 25 Prozent Kapitalertragsteuer einbehalten. Diese können sich Anleger unter bestimmten Voraussetzungen erstatten lassen, insbesondere ausländische Gesellschaften, die in Deutschland gar nicht steuerpflichtig sind.
Mit den Cum-ex-Geschäften konnten Netzwerke kooperierender Banken, Fondsgesellschaften und anderer institutioneller Anleger erreichen, dass das Finanzamt die nur einmal abgeführte Kapitalertragsteuer mehrfach erstattet. Erst 2012 wurde die Praxis durch eine Gesetzesänderung wirksam beendet. Bis dahin kostete der Cum-ex-Handel den deutschen Fiskus über 30 Milliarden Euro.
Doch auch vorher gab es für diese Geschäfte keine rechtliche Grundlage, eine angebliche Gesetzeslücke habe nicht bestanden, urteilte nun der BFH.
Dies hatte am 19. Juli 2019 in der Vorinstanz auch schon das Finanzgericht (FG) Köln so gesehen (Az.: 2 K 2672/17; JurAgentur-Meldung vom 22. Juli 2019). Es sei „schon denknotwendig“ und damit auch rechtlich ausgeschlossen, dass eine nur einmal abgeführte Steuer mehrfach erstattet wird. Der Vorsitzende Richter, FG-Präsident Benno Scharpenberg, hatte den Cum-Ex-Handel als „wundersame Brotvermehrung“ und „kriminelle Glanzleistung“ bezeichnet.
Dem ist nun auch der BFH gefolgt. Es könne nur einen einzigen wirtschaftlichen Eigentümer einer Aktie geben. Nur dieser erhalte die Dividende und übe das Stimmrecht und weitere Aktionärsrechte aus, so der BFH in seinem jetzt schriftlich veröffentlichten Urteil vom 2. Februar 2022.
Im Streitfall hatte eine im Rahmen eines größeren Netzwerks offenbar extra für den Cum-ex-Handel gegründete US-Gesellschaft im Jahr 2011 kurz vor der Dividendenausschüttung, also mit („cum“ Dividendenanspruch) deutsche Aktien gekauft, sie aber erst nach der Ausschüttung ohne („ex“) Dividende erhalten. Der Verkäufer glich dies durch eine „Dividendenkompensationszahlung“ aus. Vom Bundeszentralamt für Steuern forderte die US-Gesellschaft die Erstattung von Kapitalertragsteuer in Höhe von 27 Millionen Euro.
Ohne Erfolg. Die US-Gesellschaft habe nur Kompensationszahlungen aber keine Dividenden erhalten. Auch weitere „Rechte der Aktieninhaberschaft“ seien durch die Verträge des Netzwerks ausgeschlossen gewesen. Eine „Erstattung“ von Kapitalertragsteuer scheide daher aus.
Bereits am 28. Juli 2021 hatte der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe zu einer anderen Variante der Cum-ex-Geschäfte entschieden, dass diese auch bereits vor 2012 eine strafbare Steuerhinterziehung war (Az.: 1 StR 519/20; JurAgentur-Meldung vom Urteilstag). Konkret bestätigte der BGH damit eine Bewährungsstrafe für einen Investmentbanker.
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Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock