Arbeitsrecht

Die Personalabteilung als Dienstleister der Beschäftigten: Risiken von Auskunft und Beratung

07.04.2017

Manche Personalabteilungen tritt heutzutage über ihre klassische Rolle hinaus auch als Dienstleister für die Beschäftigten auf. Den Beschäftigte stellen sich diverse Fragen z.B. zu Mutterschutz oder Elternzeit oder zu ihren Rechten anlässlich von Gesetzesänderungen oder Anpassungen von Tarifverträgen. Einige Beschäftigte wünschen sich hier Unterstützung von Seiten der Arbeitgeber. Diese Situation haben einige Arbeitgeber zum Anlass genommen, eine Hilfestellung durch die Personalabteilung bereit zu stellen, um das Vertrauen und die Mitarbeiterbindung zu stärken. Durch die Institutionalisierung dieser Hilfestellung soll gleichzeitig der Bearbeitungsaufwand gesenkt werden.

Vorliegend soll die Auskunfterteilung und die Beratung der Beschäftigten durch die Personalabteilung aus rein rechtlicher Sicht betrachtet werden:

  1. Darf der Arbeitgeber seine Beschäftigten beraten?
  2. Muss der Arbeitgeber seine Beschäftigten beraten?
  3. Sollte der Arbeitgeber seine Beschäftigten beraten?
  4. Aktuelles hierzu vom BAG
  5. Fazit

1. Darf der Arbeitgeber seine Beschäftigten beraten?

Selbstverständlich darf der Arbeitgeber seine eigenen Beschäftigten über deren Rechte und Pflichten im und rund um das Arbeitsverhältnis beraten. Es gibt keine Vorschriften oder Rechtsgrundsätze, die es verbieten, den Vertragspartner „schlau zu machen“. Dies gilt selbst dann, wenn - wie im Arbeitsverhältnis – beide Vertragsparteien nicht selten unterschiedliche und einander entgegenstehende Interessen haben (können).

2. Muss der Arbeitgeber seine Beschäftigten beraten?

Eine Verpflichtung des Arbeitgebers seine eigenen Beschäftigten über deren Rechte und Pflichten im und rund um das Arbeitsverhältnis aufzuklären bzw. entsprechende Auskünfte (gefragt oder ungefragt) zu geben bzw. zu beraten, kann sich in Einzelfällen und zu Einzelfragen durchaus ergeben, und zwar aufgrund (seltener) spezieller gesetzlicher Vorgaben (z.B. § 12 Abs. 1 ArbSchG, § 100 Abs. 1 2 BetrVG) oder aber aufgrund der allgemeinen Pflichten in §§ 241 Abs. 2, 242 BGB.

So hat das Bundesarbeitsgericht (BAG, Urt. vom 22.1.2009, 8 AZR 161/08) etwa zu einer Aufklärungspflicht hinsichtlich einer Doppelbesteuerung bei Einsatz des Beschäftigten im Ausland Folgendes ausgeführt:

"Aus einem Schuldverhältnis erwachsen einer Vertragspartei nicht nur Leistungs- sondern auch Verhaltenspflichten zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Vertragsteils. Diese (…) in § 241 Abs. 2 BGB ausdrücklich normierten Pflichten waren bereits vor Inkrafttreten dieser Norm aus § 242 BGB abgeleitet worden. Die Pflichten können sich auch auf Aufklärung des Vertragspartners richten.

Grundsätzlich hat jeder Vertragspartner selbst für die Wahrnehmung seiner Interessen zu sorgen. Der jeder Partei zuzubilligende Eigennutz findet seine Grenze jedoch in dem schutzwürdigen Lebensbereich des Vertragspartners. Wo diese Grenze liegt, ist anhand der Umstände des Einzelfalls und mittels einer umfassenden Interessenabwägung zu ermitteln. Dabei sind insbesondere das erkennbare Informationsbedürfnis des Arbeitnehmers einerseits und die Beratungsmöglichkeiten des Arbeitgebers andererseits zu beachten und gegeneinander abzuwägen. (…)

Die Rechtsprechung hat eine Aufklärungspflicht des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer auch dann bejaht, wenn dieser in entschuldbarer Weise über das Bestehen oder den Umfang seiner Rechte, die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehen, im Ungewissen ist, während der Arbeitgeber unschwer Auskunft geben kann. (…) Auch hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmer unaufgefordert über alle Umstände zu informieren, die dem Arbeitnehmer unbekannt, aber für die Entscheidungen im Zusammenhang mit der Durchführung des Arbeitsvertrags erheblich sind . (…)

Da sich die Aufklärungspflicht des Arbeitgebers im Regelfalle im Wesentlichen auf die Rechte des Arbeitnehmers aus sein Arbeitsverhältnis bezieht, besteht keine allgemeine Aufklärungs- und Hinweispflicht auf sämtliche für den Zweck des Arbeitsverhältnisses bedeutsamen Umstände, sondern nur auf besondere atypische Risiken für den Arbeitnehmer. (…)Grundsätzlich muss sich jeder, auch der Arbeitnehmer, über die für ihn geltenden gesetzlichen Regelungen selbst informieren." 

Bereits früher hat das Bundesarbeitsgericht (BAG, Urt. vom 26.8.1993, 2 AZR 376/93) ganz allgemein festgestellt: „Der Arbeitgeber ist nicht zur allgemeinen Rechtsberatung des Arbeitnehmers verpflichtet. Über die für das Arbeitsverhältnis einschlägigen Vorschriften muss sich der Arbeitnehmer grundsätzlich selbst informieren.“

3. Sollte der Arbeitgeber seine Beschäftigten beraten?

Erteilt der Arbeitgeber den Beschäftigten Auskünfte (auch wenn er dies an sich nicht müsste), so müssen diese Auskünfte richtig und vollständig sein (so z.B. BAG, Urt. vom 17.10.2000, 3 AZR 605/99 sowie die Lit.; offen gelassen, ob dies bei Nachfrage des MA unter allen Umständen der Fall ist, von BAG, Urt. vom 21.11.2000, 3 AZR 13/00; davon quasi nebenbei aber einfach ausgehend: BAG, Urt. vom 4.5.2010, 9 AZR 184/09, Rn. 62). Mögliche Folge der Falschauskunft ist, dass der Arbeitgeber den Beschäftigte Schadensersatz schuldet (d.h. der Arbeitgeber muss die Beschäftigten also ggf. so stellen, wie diese bei richtiger Auskunft stünden).

4. Aktuelles vom BAG

In einer aktuellen Entscheidung hat das Bundesarbeitsgericht (BAG, Urt. v. 15.11.2016, 6 AZR 578/15) seine bisherige Rechtsprechung bestätigt. Zugleich hat das Bundesarbeitsgericht nach den Auswirkungen für die Haftung des Arbeitgebers und für den Verfall eines Anspruchs des Arbeitnehmers aufgrund einer (tariflichen) Ausschlussfrist differenziert. Hierzu hat das Bundesarbeitsgericht Folgendes ausgeführt:

  • Unterlässt es der Arbeitgeber pflichtwidrig, dem Arbeitnehmer Umstände mitzuteilen, die diesen zur Einhaltung einer tariflichen Ausschlussfrist veranlasst hätten, steht dem Berufen des Arbeitgebers auf die Ausschlussfrist der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegen.
  • Im Arbeitsverhältnis hat aufgrund der im Zivilrecht geltenden Privatautonomie jede Partei grundsätzlich selbst für die Wahrnehmung ihrer Interessen zu sorgen. Der Arbeitgeber ist darum nicht verpflichtet, den Arbeitnehmer auf tarifliche Änderungen hinzuweisen. Erteilt ein Arbeitgeber gleichwohl Informationen über die Auswirkungen einer Tarifänderung auf das Arbeitsverhältnis und sind diese Informationen unvollständig, so dass der Arbeitnehmer die tarifliche Ausschlussfrist versäumt, darf sich der Arbeitgeber auf den Verfall des Anspruchs berufen. Es fehlt an einem pflichtwidrigen Unterlassen und damit an der Voraussetzung für ein rechtsmissbräuchliches Berufen auf die Ausschlussfrist.
  • Erteilt der Arbeitgeber Auskünfte, müssen diese richtig, eindeutig und vollständig sein. Der Arbeitgeber haftet dem Arbeitnehmer deshalb gemäß § 241 Abs. 2 iVm. § 280 Abs. 1 BGB für Schäden, für die eine von ihm schuldhaft erteilte fehlerhafte Auskunft ursächlich war.
  • Eine Auskunft, die zu einem Schadenersatzanspruch führen kann, liegt nur vor, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer entweder auf dessen ausdrückliches Verlangen nach Information falsch informiert oder wenn er im Rahmen von Vertragsverhandlungen, die der Arbeitgeber initiiert hat, den Arbeitnehmer falsch berät.
  • Eine fehlerhaft erteilte Auskunft des Arbeitgebers hat unterschiedliche Folgen für den Verfall des Anspruchs und eine schadenersatzrechtliche Haftung des Arbeitgebers, weil sich die Risikoverteilung insoweit unterscheidet. Verlässt sich der Arbeitnehmer auf eine fehlerhafte Auskunft des Arbeitgebers, fällt dies hinsichtlich der Wahrung der Ausschlussfrist ausschließlich in seine Risikosphäre. Der Arbeitgeber kann sich darauf einstellen, diesen Anspruch nicht erfüllen zu müssen. Erteilt der Arbeitgeber dagegen auf ein vom Arbeitnehmer offenbartes Informationsbedürfnis Auskunft, verlagert § 280 Abs. 1 BGB als Haftungstatbestand das Risiko, dass die erteilte Auskunft inhaltlich zutrifft, in die Risikosphäre des Arbeitgebers. Dieser haftet schadenersatzrechtlich für die Richtigkeit seiner Auskunft.  

5. Fazit

Von (durchaus vorkommenden!) Ausnahmen aufgrund spezieller gesetzlicher Vorgaben oder besonderer Einzelfallumstände abgesehen bestehen keine (allgemeinen) Auskunfts- bzw. Aufklärungspflichten des Arbeitgebers ggü. den Beschäftigten hinsichtlich der Rechte und Pflichten aus und im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis. Berät der Arbeitgeber aber seine Beschäftigten (z.B. zu Elternzeitfragen), so müssen die Auskünfte richtig und vollständig sein, andernfalls macht er sich potentiell schadensersatzpflichtig.

Diesen Artikel bewerten
Über den Autor

Gesamt:

Dr. Artur Kühnel
Rechtsanwalt • Fachanwalt für Arbeitsrecht
Jungfernstieg 40
20354 Hamburg

Telefon: 040 / 34 80 99 – 0


Honorar/Leistung: (0)
Erreichbarkeit: (0)
Verständlichkeit: (0)
Freundlichkeit: (0)
Diesen Rechtsanwalt bewerten
Vereinbaren Sie hier eine Rechtsberatung zum Artikel-Thema:
Kontaktieren Sie hier Fachanwalt Dr. Artur Kühnel:
* Pflichtfeld
Ja, ich willige ein, dass meine im „Kontaktformular“ eingetragenen personenbezogenen Daten zum Zwecke der Angebotsvermittlung per Fax und E-Mail an den zu kontaktierenden Anwalt übermittelt und gespeichert werden. Diese jederzeit widerrufliche Einwilligung sowie die Verarbeitung und Datenübermittlung durch Dritte erfolgen gem. unserer Datenschutzerklärung.
Kontaktieren
Weitere Artikel des Autors
Arbeitsrecht Wann Arbeitnehmer in der Freizeit erreichbar sein müssen
21.12.2023

Müssen Arbeitnehmer Weisungen des Arbeitgebers auch während ihrer Freizeit zur Kenntnis nehmen? Und wenn man dies bejaht: unter welchen Voraussetzungen?  Anm.: Dieser Beitrag ist in leicht abgewandelter Form auch als Beitrag im  Expertenforum Arbeitsrecht (#EFAR)  erschienen:  Wann Arbeitnehmer in der Freizeit erreichbar sein müssen Thema Seit jeher wird diskutiert, ob die Freizeit „heilig“ ist, also dass Arbeitgeber Arbeitnehmer während der Freizeit nicht „behelligen“ dürfen, sondern sich auf die Arbeitszeit zu beschränken haben. Müssen Arbeitnehmer etwa auch während ihrer ... weiter lesen

Arbeitsrecht Annahmeverzugslohn: Ein Update zur Anrechnung böswillig unterlassenen Verdienstes
23.11.2023

Wenn der Arbeitgeber die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers nicht annimmt, hat Letzterer trotz Nichtarbeit häufig Anspruch auf Annahmeverzugslohn (§§ 615 Satz 1, 293 ff. BGB). Dies gilt vor allem im Anschluss an eine unwirksame Arbeitgeberkündigung. Wenn der Arbeitnehmer Annahmeverzugslohn geltend macht, muss er sich aber etwa anrechnen lassen, was er durch anderweitige Arbeit verdient hat (§ 11 Nr. 1 KSchG bzw. § 615 Satz 2 BGB). Anrechnen lassen muss er sich vor allem aber auch, was er hätte verdienen können, wenn er es nicht böswillig unterlassen hätte, eine ihm zumutbare Arbeit anzunehmen (§ 11 Nr. 2 KSchG bzw. § 615 Satz 2 ... weiter lesen

Weitere Artikel der Redaktion zum Thema
Arbeitsrecht Ergonomischer Büroarbeitsplatz mit Merkblatt

Der Begriff "Büroarbeitsplatz" bezieht sich auf die Gesamtheit aller Elemente und Bedingungen, die in einem Büroumfeld zur Durchführung von Arbeitsaufgaben erforderlich sind. Hierzu zählen insbesondere Arbeitsmittel wie Schreibtisch und Bürostuhl, die gemäß den Anforderungen des Arbeitsschutzes ergonomisch gestaltet sein müssen, um gesundheitliche Schäden zu vermeiden und die Arbeitsleistung zu steigern. Rechtliche Grundlagen für Büroarbeitsplätze Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG), die Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) und die Bildschirmarbeitsverordnung bilden die rechtliche Basis für die Gestaltung von Büro- und Bildschirmarbeitsplätzen in ... weiter lesen

Arbeitsrecht Arbeitsgericht Siegburg urteilt: Keine Diskriminierung bei Nichteinstellung aus gesundheitlichen Gründen

Das Arbeitsgericht Siegburg hat in einem Fall, in dem es um die Rücknahme einer Einstellungszusage für einen schwerbehinderten Bewerber ging, entschieden. Im Mittelpunkt der Verhandlung stand die Frage, ob die Nichteinstellung aufgrund eines ärztlichen Gutachtens eine Diskriminierung darstellt (Az.: 3 Ca 1654/23 ). Stadt zieht Jobzusage an diabetischen Bewerber zurück – Klage wegen Diskriminierung Ein schwerbehinderter Bewerber, der an Diabetes leidet, bewarb sich Anfang 2023 bei einer Stadtverwaltung für eine Ausbildung zum Straßenwärter. Seine Schwerbehinderung gab er dabei offen an. Er erhielt eine vorläufige Zusage, die jedoch von den Ergebnissen einer ... weiter lesen

Arbeitsrecht Nebenbeschäftigung durch Detektei aufgedeckt – was Arbeitgeber jetzt beachten müssen

Ein vertrauensvolles Verhältnis zwischen Arbeitnehmer und -geber ist wichtig, Vertrauen allein reicht aber oft nicht aus. Zu den häufigsten Zwischenfällen gehört die Ausübung einer nicht genehmigten Nebentätigkeit durch den Arbeitnehmer. Grundsätzlich ist der Hauptarbeitgeber verpflichtet, einen Nebenjob zu gewähren, sofern die eigenen Interessen davon nicht betroffen sind. So muss der Arbeitnehmer weiterhin mit seiner vollen Arbeitskraft verfügbar sein und darf nicht in konkurrierenden Betrieben arbeiten. Heimlich ausgeführt ist eine Nebentätigkeit nicht erlaubt. Die Aufdeckung erfolgt regelmäßig durch erfahrene Wirtschaftsdetektive, aber was passiert dann?  ... weiter lesen

Arbeitsrecht Verwaltungsgericht Hannover bestätigt Entlassung von Polizeikommissar-Anwärterin

Ein aktuelles Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover (Az. 2 B 512/24; 2 A 5953/23 ) bekräftigt die Entlassung einer Polizeikommissar-Anwärterin aufgrund ihrer polizeikritischen Äußerungen in sozialen Netzwerken. Diese Entscheidung unterstreicht die Bedeutung der Neutralität und des Mäßigungsgebots im Beamtenverhältnis. Polizeianwärterin wegen kritischer Äußerungen in sozialen Medien entlassen Im Zentrum des Rechtsstreits stand eine angehende Polizeikommissarin, gegen die die Niedersächsische Polizeiakademie eine Entlassungsverfügung erließ. Ausschlaggebend waren diverse Äußerungen in sozialen Medien, die als kritisch gegenüber der Polizei ... weiter lesen

Ihre Spezialisten