Insolvenzrecht

Die Regelinsolvenz: Antrag, Voraussetzungen, Ablauf & Dauer

23.11.2017
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Zuletzt bearbeitet am: 06.01.2024

Wenn eine große Firma oder eine bekannte Persönlichkeit Insolvenz anmeldet, sorgt dies oft für große Schlagzeilen. Dabei bietet eine Regelinsolvenz allen Selbstständigen mit mehr als 19 Gläubigern - Freiberuflern wie auch Unternehmern - die Gelegenheit, sich von der Schuldenlast zu befreien. Doch was genau beinhaltet eine Regelinsolvenz? Wie läuft sie ab? Und wer kann die Regelinsolvenz beantragen? Erfahren Sie jetzt die wichtigsten Fakten dazu in unserer Kurzübersicht!

Welche drei Ziele gibt es bei einer Regelinsolvenz eigentlich?

Zu den drei Ziele bei einer Regelinsolvenz gehören die Befreiung von den Restschulden, der Pfändungsschutz und die Fortführung des Betriebs.

Durch eine Gesetzesänderung im Jahr 2001 können sowohl Selbständige wie auch ehemalige Selbständige, die über unübersichtliche Vermögensverhältnisse verfügen - also mehr als 19 Gläubiger haben - ein Regelinsolvenzverfahren eröffnen. Im Vergleich zur privaten Insolvenz besteht der Hauptunterschied darin, dass bei einem Regelinsolvenzverfahren ein Insolvenzverwalter hinzugezogen wird. Daher kann während des laufenden Verfahrens eine selbstständige Tätigkeit auch weiterhin ausgeübt werden. Während dieser Zeit besteht auch die Möglichkeit, den eigenen Betrieb zu sanieren und ihn schließlich ohne Schulden fortzuführen.

Wie lange dauert eine Regelinsolvenz in der Regel?

Die Dauer eines Regelinsolvenzverfahrens hängt ganz von der jeweiligen individuellen Situation ab. Dabei kann der Zeitraum zwischen 3 bis 6 Jahren betragen, bis es schließlich zur sogenannten Restschuldbefreiung kommt. Für die Restschuldbefreiung gibt es insgesamt drei mögliche Zeitintervalle:

3 Jahre: bei Tilgung von 35 Prozent der Schulden sowie einem Ausgleich der Verfahrenskosten

5 Jahre: Wenn es zu einer Ausgleichung der Verfahrenskosten gekommen ist

6 Jahre: unabhängig von der Begleichung der Schulden oder einer Verfahrenskostenübernahme

Gut zu wissen: Ein Regelinsolvenzverfahren kann ausschließlich dann eröffnet werden, wenn auch die Kosten dafür gedeckt sind. Sobald ein Schuldner die Kosten des Verfahrens zahlen kann und es auch keine Dritten gibt - wie etwa Geschäftspartner, Freunde oder Familienangehörige - die für den Schuldner zahlen können, besteht die Möglichkeit, eine Stundung der Kosten zu beantragen.

Wie läuft ein Regelinsolvenzverfahren ab?

Zunächst ist der Schuldner am Zug. Zu Beginn des Verfahrens muss er einen schriftlichen Antrag auf die Eröffnung einer Regelinsolvenz stellen - und zwar bei demjenigen Insolvenzgericht, das für seinen Wohnort zuständig ist. Außer dem schriftlichen Antrag ist ein Verzeichnis über die Vermögensverhältnisse notwendig sowie eine Übersicht über die jeweiligen Gläubiger. Zudem ist das Einreichen einer eidesstattlichen Versicherung nötig, was die Richtigkeit und Vollständigkeit der gemachten Angaben betrifft.

Wenn alle Unterlagen beim Insolvenzgericht eingereicht worden sind, werden sie durch einen Sachverständigen des Gerichts überprüft. Nach eingehender Prüfung erstellt der Sachverständige schließlich ein Gutachten.

Nachdem vom Gericht ein Insolvenzverwalter ernannt worden ist, wird das Verfahren eröffnet. Sobald das Verfahren eröffnet ist, findet die sogenannte Zäsur statt. Das Wort Zäsur stammt ursprünglich aus dem Lateinischen und bedeutet nichts anderes als Teilung. Und genau darum geht es auch bei der Teilung in einer Regelinsolvenz: Das Vermögen des Schuldners wird dabei in zwei Teile unterteilt.

Teil 1: Sämtliches Vermögen, das bis zur Eröffnung des Regelinsolvenzverfahrens entstanden ist, wird der Insolvenzmasse hinzu gerechnet.

Teil 2: Sämtliche neue Vermögensanteile, die während des Verfahrens durch ein Einkommen oder eine Erbschaft erworben wurden, unterliegen der Insolvenzmasse - jedoch nur im Rahmen der Vollstreckungsschutzvorschriften.

Was geschieht nach der Eröffnung des Verfahrens?

Nach der Verfahrensöffnung tritt der Pfändungsschutz in Kraft. Zwangsvollstreckungen, wie etwa die Abnahme der Vermögensauskunft oder Pfändungen können nun nicht mehr vorgenommen werden. Das bedeutet, dass man als Schuldner alle Schreiben der Gläubiger direkt an den Insolvenzverwalter weiterleiten kann. Die Verfahrenseröffnung wird öffentlich gemacht (zum Beispiel in den amtlichen Bekanntmachungen). Die Gläubiger müssen nun ihre Ansprüche gegenüber dem Insolvenzverwalter geltend machen. Der Insolvenzverwalter überprüft anschließend, ob die Forderungen der Gläubiger eine berechtigte Grundlage haben - für alle berechtigten Forderungen wird dann ein entsprechendes Forderungsverzeichnis erstellt. Vor Gericht gibt es sogenannte Prüftermine, dabei werden die Gläubiger und deren Forderungen bestätigt oder abgelehnt. Es besteht die Möglichkeit, einen Insolvenzplan zu erstellen, über den alle Gläubiger abstimmen. Wenn der Insolvenzplan tatsächlich angenommen wird, kann ein Insolvenzverfahren auf diesem Weg vermieden werden.

Welche Rolle spielt der Insolvenzverwalter bei einer Regelinsolvenz?

Die vorhandene Insolvenzmasse wird nun durch den Insolvenzverwalter gesichert. Das bedeutet: Sämtliche Vermögenswerte werden vom Insolvenzverwalter beschlagnahmt und verwertet. Die Bandbreite reicht dabei von wertvollen Gegenständen und Möbeln bis hin zu Autos, die nicht zwingend für den beruflichen Einsatz benötigt werden. Auch Bausparverträge, kapitalbildende Lebensversicherungen - selbst wenn diese eigentlich für die Altersvorsorge bestimmt waren - sowie Guthaben bei Banken, Immobilien und der pfändbare Teil des Einkommens fließen in die Insolvenzmasse ein. Weil der Insolvenzverwalter für Schulden haftet, die während der Zeit des Regelinsolvenzverfahrens durch alte Verträge (wie etwa Fitnessstudio, Zeitungsabo, KFZ-Leasing) gemacht werden, kann er diese Verträge beenden. Das noch vorhandene Vermögen wird beim Schlusstermin nach Abzug der Verfahrenskosten auf die Gläubiger verteilt. Wenn dem Antrag auf Restschuldbefreiung stattgegeben wird, gilt das Regelinsolvenzverfahren als abgeschlossen. Sämtliche restliche Schulden werden dem Schuldner erlassen und er ist wieder schuldenfrei.

Welche Voraussetzungen müssen bei einer Regelinsolvenz hinsichtlich der Restschuld erfüllt werden?

Die Regelinsolvenz ist ein Verfahren, dass sich insbesondere an Selbstständige, Unternehmer und Geschäftsführer einer GmbH richtet, die über unüberschaubare Vermögensverhältnisse verfügen oder gegen die noch offene Forderungen aus Arbeitsverhältnissen bestehen. Obendrein gilt die Regelinsolvenz für ehemalige Selbstständige, die noch mehr als 19 Gläubiger bedienen müssen. Das Insolvenzverfahren wird vom Insolvenzgericht immer dann eröffnet, wenn genügend Barvermögen vorhanden ist, um die Kosten des Verfahrens zu decken. Allerdings kann bei Bedarf auch eine Stundung der Verfahrenskosten beantragt werden. Oft besteht immer noch der Irrtum, dass die Regelinsolvenz keine Befreiung von der Restschuld ermöglicht. Jedoch ist auch diese bei einer Regelinsolvenz vorgesehen. Dazu müssen allerdings bestimmte Voraussetzungen erfüllt werden. Wenn der Schuldner einen Antrag auf Insolvenz stellt, muss er diesem zusätzlich einen Antrag auf Restschuldbefreiung beifügen. Dies ist selbst dann der Fall, wenn der eigentliche Insolvenzantrag durch einen Gläubiger gestellt worden ist. In diesem Fall muss der Schuldner beim Insolvenzgericht nicht nur einen eigenen Insolvenzantrag stellen, sondern auch noch einen Antrag auf Restschuldbefreiung.

Gibt es bestimmte Einschränkungen für den Schuldner?

Sobald das Regelinsolvenzerfahren eröffnet ist, verliert der Schuldner seine Vermögensverwaltungsbefugnis bis zum Beginn der sogenannten Wohlverhaltensphase. Das bedeutet, dass der Schuldner nicht mehr über sein Vermögen verfügen kann. Auch das Einkommen eines selbstständigen Schuldners fließt vollständig in die Insolvenzmasse ein.

Vom Insolvenzverwalter erhält der Schuldner Unterhalt aus der Insolvenzmasse. Die Höhe des jeweiligen Unterhalts schlägt der Insolvenzverwalter vor, die Gläubigerversammlung stimmt endgültig darüber ab. Dabei dient nicht nur der Sozialhilfebedarf des Schuldners als Richtlinie, sondern auch die Anzahl der Personen, denen der Schuldner Unterhalt zahlen muss, also Kinder und/oder Ehepartner.

In einem Großteil der Fälle wird jedoch die selbständige Tätigkeit des Schuldners durch den Insolvenzverwalter freigegeben. Auf diese Weise ist die selbständige Tätigkeit nicht mehr Teil der Insolvenzmasse. Durch den selbständigen Schuldner erzielte Verluste oder Gewinne verringern oder vermehren die Insolvenzmasse also nicht. Allerdings muss vom selbständigen Schuldner ein Beitrag an den Insolvenzverwalter gezahlt werden, der dem pfändbaren Teil des Einkommens eines angestellten Schuldners entspricht.

Wenn der Schuldner seine Selbstständigkeit vor oder während des Insolvenzverfahrens aufgibt, erhält er wie alle Angestellten in einer abhängigen Beschäftigung den unpfändbaren Teil des Einkommens. Die Höhe wird gemäß Paragraph 850c ZOP festgesetzt. In einem solchen Fall fordert der Insolvenzverwalter die Überweisung des pfändbaren Teils des Einkommens direkt beim Arbeitgeber an. Deshalb sollte ein Schuldner seinen Arbeitgeber über das Insolvenzverfahren also auf jeden Fall informieren! Unterhaltsansprüche des Schuldners gegenüber dem Ehepartner oder Kinder können nicht in die Insolvenzmasse einfließen.

Fachanwalt.de-Tipp: Da bei einem Regelinsolvenzverfahren das Girokonto des Schuldners erlischt, sollte vorab rechtzeitig ein Pfändungsschutzkonto eröffnet werden. Ein Gemeinschaftskonto von Eheleuten sollte vor der Eröffnung des Verfahrens getrennt werden, sollte nur einer der beiden Eheleute von der Regelinsolvenz betroffen sein. Um nicht plötzlich ohne finanzielle Mittel dazustehen, sollte also für eine entsprechende finanzielle Vorsorge gesorgt werden!

Was geschieht in der sogenannten Wohlverhaltensphase?

In der Wohlverhaltensphase muss der Schuldner den pfändbaren Teil seines Einkommens an einen Treuhänder abgeben. Dabei muss er den folgenden Pflichten nachkommen:

1. Der Schuldner muss eine angemessene Erwerbstätigkeit ausüben oder danach streben.

2. Die Hälft des Vermögens, das durch Erbe oder Tod erworben wird, muss vom Schuldner an den Treuhänder abgeführt werden.

3. Der Schuldner hat eine Auskunftspflicht, wenn er seinen Wohnort, den Arbeitgeber etc. wechselt.

4. Der Schuldner verpflichtet sich dazu, Zahlungen ausschließlich an den Treuhänder zu leisten und nicht an einzelne Gläubiger. Auf diese Weise wird eine Bevorteilung von bestimmten Gläubigern vermieden.

Ein Selbstständiger kann in der Wohlverhaltensphase seinen Betrieb ganz einfach wie gehabt weiterführen. Jedoch gibt es dann keinen Insolvenzverwalter bzw. keine Gläubigerversammlung mehr, durch die finanzielle Vorgänge überwacht werden können. Der Selbstständige ist also darauf angewiesen, dass die jeweiligen Zahlungen an den Insolvenzverwalter in einer angemessenen Höhe erfolgen. Es besteht ein großes Risiko, zu wenig zahlen zu können. Im ungünstigsten Falle kann am Ende die Restschuldbefreiung versagt werden.

In der Regel dauert die Wohlverhaltensphase sechs Jahre. Seit dem 1. Juli 2014 kann die Wohlverhaltensphase jedoch auf fünf oder sogar auf drei Jahre reduziert werden.

Wenn der Schuldner alle Zahlungen und Vereinbarungen erfolgreich eingehalten hat, ist die Wohlverhaltensphase beendet - und der Schuldner ist wieder schuldenfrei!

Fazit:

Bei einem Regelinsolvenzverfahren handelt es sich um einen langwierigen und herausfordernden Prozess, durch den bei der Einhaltung der nötigen Schritte dafür gesorgt wird, dass der Schuldner nach der Beendigung des Verfahrens wieder einen neuen Lebensabschnitt ohne Schulden beginnen kann.

 

Autor: Fachanwalt.de-Redaktion
Foto: © Marco2811 - Fotolia.com

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