Luxemburg. Für ihre Kinder dürfen Wanderarbeitnehmer nicht weniger Kindergeld oder andere reduzierte Vergünstigungen bekommen als Inländer. Dies gilt auch, wenn die Kinder weiterhin beim anderen Elternteil im Herkunftsland leben, entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg am Donnerstag, den 16. Juni 2022 (Az: C-328/20). Damit hat das Gericht die österreichischen Regeln verworfen, nach denen das Kindergeld und andere Leistungen an die Lebenshaltungskosten im Herkunftsland gekoppelt sind.
Nach EU-Recht haben Wanderarbeitnehmer in dem Land, in dem sie arbeiten, auch Anspruch auf Familienleistungen wie z.B. Kindergeld. Diese können gegebenenfalls angerechnet werden, wenn das Kind weiterhin im Herkunftsland lebt und die Eltern dort vergleichbare Leistungen erhalten.
In Österreich gilt für das Kindergeld und verschiedene steuerliche Vergünstigungen seit 2019 ein sogenannter Anpassungsmechanismus. Leben die Kinder weiterhin im Herkunftsland, werden die dortigen Lebenshaltungskosten in Relation zu den Lebenshaltungskosten in Österreich gesetzt und entsprechend angepasst, in der Regel nach unten.
Von der Europäischen Kommission wurde diese sogenannte Indexierung als nicht zulässige Diskriminierung von Wanderarbeitern gegenüber Inländern bewertet. Deshalb reichte die Kommission beim Europäischen Gerichtshof ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich ein.
Der Europäische Gerichtshof hat jetzt entschieden, dass eine Diskriminierung vorliegt. Für Wanderarbeiter müssen die Familienleistungen „exakt“ denen für Inländer entsprechen.
Die Richter in Luxemburg verwiesen zur Begründung darauf hin, dass Österreich Unterschiede in der Kaufkraft im eigenen Land bei den Leistungen für Kinder und Familien nicht berücksichtigt. Angesichts der Kaufkraftunterschiede innerhalb der EU gebe es deshalb keinen Grund und keine Rechtfertigung dazu.
Außerdem sei eine „Indexierung“ generell diskriminierend. Daher sei sie auch unzulässig bei Vergünstigungen, die nicht als Familienleistungen einzustufen sind, wie Steuervergünstigungen für Alleinerziehende oder Alleinverdiener.
Vor allem betreffe dies Wanderarbeiter, da insbesondere deren Kinder häufig in einem anderen EU-Land leben. Diese Wanderarbeitnehmer kämen hauptsächlich aus EU-Ländern mit niedrigeren Lebenshaltungskosten als in Österreich. Der „Anpassungsmechanismus“ führe daher zu einer indirekten Diskriminierung von Wanderarbeitnehmern aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit. Somit würden dann auch die Freizügigkeitsrechte von diesen Wanderarbeitnehmern verletzt.
Quelle: © Fachanwalt.de
Symbolgrafik: © Marco2811 - stock.adobe.com