Kassel. Für Bezieher von Hartz-IV-Leistungen mit Mietrückständen ist es künftig einfacher, vom Jobcenter ein Darlehen zu bekommen. Das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel hat am Mittwoch, den 13. Juli 2022, entschieden, dass dafür ein förmlicher Antrag nicht erforderlich ist (Az.: B 7/14 AS 52/21 R). Es reiche aus, darüber zu informieren, dass eine Wohnungskündigung droht. Sollten Bekannte privat aushelfen, geht der Anspruch auf ein Jobcenter-Darlehen auch nicht automatisch verloren.
Eine alleinstehende Hartz-IV-Bezieherin aus Bremen hatte Klage eingelegt. Hartz-IV-Leistungen bekam sie bis Ende Januar und dann wieder ab Juni 2015. Die vier dazwischenliegenden Monate blieb sie ihre monatliche Warmmiete in Höhe von 355 Euro schuldig. Als der Vermieter ihr dann im August 2015 mit Kündigung drohte, verständigte sie das Jobcenter.
Allerdings beantragte die Hartz-IV-Empfängerin erst Ende September 2015 ein Darlehen über 1.420 Euro für die vier Monatsmieten. Noch bevor das Jobcenter über diesen Antrag entschieden hatte, kam die Kündigung der Wohnung. Eine Bekannte sprang ein und stellte ein Privatdarlehen zur Verfügung, wodurch die arbeitslose Frau ihre Mietrückstände begleichen konnte. Daraufhin zog der Vermieter seine Kündigung zurück.
Das Jobcenter, ebenfalls erfreut über die private Hilfe der Bekannten, lehnte den Antrag für ein Darlehen ab, da die Miete ja bereits bezahlt sei und eine Wohnungslosigkeit nicht mehr drohe.
Das BSG hat nun entschieden, dass eine drohende Wohnungslosigkeit keine zwingende Voraussetzung für Mietdarlehen darstellt. Darauf komme es entscheidend nur für eine einstweilige Anordnungen im Eilverfahren an. Ein Darlehensanspruch könne grundsätzlich auch dann bestehen, wenn die Kündigung der Wohnung mit privater Hilfe vermieden wurde.
Dafür ist jedoch Voraussetzung, dass das Jobcenter Kenntnis von der Notlage hatte und vor Auszahlung des Privatdarlehens über ein Jobcenter-Darlehen hätte entscheiden können.
Die Richter in Kassel wiesen den Einwand zurück, dass zwischen der Beantragung des Darlehens und der Kündigung des Mietverhältnisses nicht genügend Zeit gewesen sei. Das Darlehen bedürfe keiner solchen förmlichen Beantragung. Bereits im August 2015 habe das Jobcenter erfahren, dass der Vermieter mit einer Kündigung drohte. Bereits hier habe die Behörde tätig werden und ein Darlehen prüfen müssen.
Das Sozialgericht Niedersachsen-Bremen (LSG) hatte bereits in der Vorinstanz die Klage der Hartz-IV-Empfängerin abgewiesen. Es soll nun nach den Maßgaben des BSG neu über den Fall entscheiden.
Zur Vermeidung von Mietdarlehen müssen Hartz-IV-Empfänger nach einem Urteil des BSG aus dem Jahre 2010 jedoch auf vorhandenes Vermögen zurückgreifen, auch wenn es aufgrund des derzeitigen Vermögens-Grundfreibetrags von mindestens 3.100 Euro bei den regulären Leistungen anrechnungsfrei bleibt (Urteil vom 17. Juni 2010, Az : B 14 AS 58/2009).
Nach diesem alten Urteil gilt Gleiches für den sog. Anschaffungsfreibetrag von 750 Euro pro Person. Das ist Geld, das Hartz-IV-Empfänger sich für größere Anschaffungen sparen können, um beispielsweise defekte Haushaltsgeräte auszutauschen. Der Senat deutete in der mündlichen Verhandlung an, davon abrücken zu wollen. Aussagen dazu gab es in der mündlichen Urteilsverkündung jedoch noch nicht.
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