Hannover (jur). Nach einem Medizinstudium ist die Weiterbildung zur Fachärztin nicht mehr Teil der medizinischen Erstausbildung. Den Eltern steht daher kein Kindergeld mehr zu, wie das Niedersächsische Finanzgericht (FG) in Hannover in einem am Dienstag, 21. Juni 2022, bekanntgegebenen Urteil entschied (Az.: 9 K 114/21). Bei der ärztlichen Weiterbildung stehe das Arbeitsverhältnis mit der ausbildenden Klinik im Vordergrund.
Im Streitfall hatte die dann 23-jährige Tochter im Dezember 2020 ihr Medizinstudium abgeschlossen und direkt Anfang Januar 2021 in einer Klinik ihre mindestens 60-monatige Weiterbildung zur Kinderärztin begonnen. Bei der Familienkasse beantragte die Mutter die Weiterzahlung von Kindergeld bis zum 25. Geburtstag der Tochter.
Die Familienkasse kam dem nicht nach. Sie zahlte noch bis zum Semesterende im März 2021, stellte dann die Kindergeldzahlungen aber ein.
Zu Recht, wie nun das FG Hannover entschied. Die Weiterbildung zur Fachärztin, hier zur Kinderärztin, sei nicht mehr Teil der medizinischen Erstausbildung. Vielmehr handele es sich um eine Weiterbildung.
Maßgeblich für die Dauer der „Erstausbildung“ sei nicht allein, ob das Ausbildungsziel für den ursprünglichen Berufswunsch erreicht sei. Dies sei hier zwar noch nicht der Fall. Die Weiterbildung sei aber an ein zumindest nahezu volles Arbeitsverhältnis mit der Klinik gebunden. Dies spreche dafür, dass die studierte Medizinerin bereits über eine abgeschlossene Ausbildung verfügt. Dass im Arbeitsvertrag neben der Arbeit auch die Fortbildung und Qualifizierung festgeschrieben ist, stehe dem nicht entgegen. Denn die Weiterbildung zur Kinderärztin trete hinter der Berufstätigkeit hier der Tochter zurück.
Auch die Weiterbildungsordnung nenne als Voraussetzung für die Weiterbildung zum Facharzt eine „abgeschlossene ärztliche Ausbildung“. Als Kursanteil seien während der gesamten Dauer hier im Fall der Kinderärztin nur 140 Stunden vorgesehen, argumentierte das FG Hannover in seinem Urteil vom 17. Juni 2022.
Das Thüringer Finanzgericht in Gotha hatte 2018 allerdings gegenteilig entschieden (Urteil vom 27. März 2018, Az.: 2 K 308/17). Zur Wahrung einer einheitlichen Rechtsprechung ließ das FG Hannover daher die Revision zum Bundesfinanzhof (BFH) in München zu. Diese hat die Mutter bereits eingelegt (Az. BFH: III R 40/21).
Quelle: © www.juragentur.de - Rechtsnews für Ihre Anwaltshomepage
Symbolgrafik:© Marco2811 - stock.adobe.com
Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock