Karlsruhe (jur). Das Bundesverfassungsgericht wird sich nicht inhaltlich zum früheren Verbot der „Werbung für Schwangerschaftsabbrüche“ äußern. Durch die Aufhebung der Strafvorschrift hat sich ein diesbezügliches Rechtsschutzbedürfnis erledigt, erklärten die Karlsruher Richter in einem am Mittwoch, 7. Juni 2023, veröffentlichten Beschluss (Az.: 2 BvR 390/21). Eine Beschwerde der Gießener Allgemeinärztin Kristina Hänel nahm es daher nicht zur Entscheidung an.
Hänel informiert auf ihrer 2001 eingerichteten Internetseite bis heute darüber, dass in ihrer Praxis Schwangerschaftsabbrüche möglich sind. Zudem wird, nach gerichtlichen Feststellungen jedenfalls ab Ende April 2014, bis heute eine PDF-Datei mit Informationen über die rechtlichen Voraussetzungen und die verschiedenen Methoden eines Schwangerschaftsabbruchs zum Download und inzwischen auch zum direkten Lesen angeboten.
Laut Paragraf 219a Strafgesetzbuch in seiner ursprünglichen Fassung machte sich jedoch bereits strafbar, wer Schwangerschaftsabbrüche „öffentlich“ und zudem „seines Vermögensvorteils wegen oder in grob anstößiger Weise“ anbietet. Das Amtsgericht Gießen hatte Hänel daher zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 150 Euro verurteilt, insgesamt 6.000 Euro. Dies hatte das Landgericht am 12. Oktober 2018 bestätigt (Az.: 3 Ns – 406 Js 15031/15; JurAgentur-Meldung vom Urteilstag). Nach einer Reform und teilweisen Abschwächung des Paragrafen im März 2019 setzte das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main die Strafe auf 2.500 Euro herab (Beschluss vom 22. Dezember 2020, Az.: 1 Ss 96/20; JurAgentur-Meldung vom 19. Januar 2021).
Mit ihrer Verfassungsbeschwerde wandte sich Hänel gegen ihre Verurteilung und gegen den Strafparagrafen selbst. Unterdessen dauerte die Diskussion über den Paragrafen auch nach der Reform an, und weitere Ärztinnen und Ärzte wurden verurteilt. Mit Gesetz vom 11. Juli 2022 wurden der Paragraf und auch darauf beruhende Strafurteile schließlich vollständig und auch rückwirkend aufgehoben.
Daher nahm nun das Bundesverfassungsgericht die Beschwerde Hänels nicht zur Entscheidung an. Die Ärztin sei durch Aufhebung des Strafurteils und die Streichung des Paragrafen „rehabilitiert“, ihr Rechtsschutzziel habe sich erledigt. Eine erneute Verurteilung scheide nach heutiger Gesetzeslage aus. Ein allgemeines Interesse, die Verfassungsmäßigkeit alten Rechts klären zu lassen, bestehe grundsätzlich nicht.
Hänel hatte weiter angegeben, die von ihr gezahlte Geldstrafe habe sie bislang noch nicht zurückbekommen. Hierzu betonte das Bundesverfassungsgericht, dass ihr das Geld eigentlich „von Amts wegen“ unaufgefordert erstattet werden müsste. Es sei der Ärztin aber zuzumuten, dies notfalls auch vor Gericht zu betreiben.
Quelle: © www.juragentur.de - Rechtsnews für Ihre Anwaltshomepage
Symbolgrafik:© Zerbor - stock.adobe.com
Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock