Einleitung: Das BAG hat zur Sozialauswahl bei betriebsbedingten Kündigungen von Lehrkräften ein aufschlussreiches Urteil erlassen BAG (Urt. v. 22.10.2015, 2 AZR 582/14). Bei einer betriebsbedingten Kündigung angestellter Lehrer richtet sich die Sozialauswahl nach der betreffenden Schule, an der dieser Lehrer beschäftigt ist. Sofern der öffentliche Arbeitgeber die Entscheidung getroffen hat, nach Möglichkeit nur noch Lehrer mit staatlicher Lehrbefähigung an den Schulen einzusetzen, fällt ein Rückgang des Personalbedarfs automatisch zu Lasten der Lehrer ohne staatliche Lehrbefähigung aus. Die Sozialauswahl beschränkt sich dann demgemäß auch nur auf die jeweilige Schule, obwohl diese nicht die Eigenschaft als „Arbeitgeber“ hat.
Sachverhalt: Die verheiratete und drei Kindern zum Unterhalt verpflichtete Klägerin hatte ein Magisterstudium der Romanistik absolviert. Seit September 2006 war sie aufgrund von fünf, jeweils auf ein Jahr befristeten Arbeitsverträgen mit unterschiedlichem Stundenvolumen als Lehrkraft für Spanisch bei dem Beklagten beschäftigt. Der letzte Vertrag sah einen Einsatz mit je vier Pflichtstunden an zwei Gymnasien in der Stadt B. vor. Er sollte im September 2011 enden. Auf eine Klage der Klägerin wurde rechtskräftig festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Befristung nicht beendet wurde. An der einen Einsatzschule der Klägerin (GMG) waren im Schuljahr 2010/2011 62 Wochenstunden Spanischunterricht erteilt worden, zwölf davon durch drei Lehrkräfte ohne Lehrbefähigung. Im Schuljahr 2011/2012 bestand nur noch ein Bedarf an 49 Wochenstunden. Aufgrund der Erweiterung des dortigen Studienseminars um das Fach Spanisch wurde dem betreffenden Gymnasium eine neue Seminarlehrerin als vierte Vollzeitkraft mit Lehrbefähigung zugewiesen. An der anderen Einsatzschule kam für das Schuljahr 2011/2012 kein Kurs für das Fach Spanisch zustande.
Vor diesem Hintergrund kündigte die Regierung von Oberfranken nach Anhörung der Personalräte beider Einsatzgymnasien und noch während des Entfristungsstreits das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit Schreiben vom 23. Dezember 2011 vorsorglich ordentlich zum 31. März 2012. Hiergegen hat die Klägerin sich rechtzeitig mit einer Klage gewandt.
Sie hat vorgetragen, die Kündigung sei sozial nicht gerechtfertigt. Der Bedarf an Spanischunterricht für das Schuljahr 2012/2013 habe ohne Abfrage der Schülerwünsche nicht prognostiziert werden können. Im Schuljahr 2011/2012 sei es durch Umverteilung der Unterrichtsstunden möglich gewesen, sie an einem der beiden Gymnasien weiterzubeschäftigen. Die Lehrkräfte mit Fakultas (staatlicher Lehrbefähihung) hätten in ihrem zweiten Fach eingesetzt werden können. Die Zuweisung einer weiteren Kraft mit Lehrbefähigung an das betreffende Gymnasium sei nicht notwendig gewesen. Insofern liege eine unzulässige Austauschkündigung vor. Der Beklagte könne sich nicht darauf berufen, dass nach Möglichkeit voll ausgebildete Lehrkräfte beschäftigt werden sollten. Diese Vorgabe sei nicht durchgehend beachtet worden. Die Sozialauswahl habe nach dem Vortrag der Klägerin auf ganz Oberfranken erstreckt werden müssen. Die Kündigung sei unverhältnismäßig und „mit den guten Sitten schwer vereinbar“, weil sie, die Klägerin, als „Muttersprachlerin“ das Interesse am Spanischunterricht erst geweckt und den von ihr generierten Bedarf über Jahre mit abgedeckt habe.
Die Urteile sahen wie folgt aus: Die Vorinstanzen hatten die Klage abgewiesen. Die Revision wurde vom BAG als unbegründet angesehen. Bemerkenswert an den Urteilen ist, dass der Arbeitgeber, das Land, die Sozialauswahl nur auf ein Gymnasium, oder wie vorliegend, auf die zwei Gymnasien (Gymnasien, an denen die Klägerin auch eingesetzt worden war) ausdehnen muss. Auch führt der Beschluss des Landes, nach Möglichkeit nur noch Lehrkräfte mit Lehrbefähigung zu beschäftigen, zu einem Entstehen einer betriebbedingten Kündigungssituation. Die Frage, wie gut die Fremdsprache beherrscht werden muss, spielt dabei offenbar keine Rolle.
Kommentar des Verfassers: Das Urteil erscheint im Ergebnis recht hart zu sein, weil die Sozialauswahl nach Ansicht des BAG normalerweise nur auf ein Gymnasium beschränkt sein muss und ferner, weil ein Beschluss des Landes zum Qualifikationserfordernis der eingesetzten Lehrer automatisch zu einer betriebsbedingten Kündigungslage führt. Unter beiden Voraussetzungen ist der Sozialschutz derartiger Angestellter des öffentlichen Dienstes recht deutlich eingeschränkt und sie stellen eine Art „Reservepersonal“ dar.
Mitgeteilt durch: Rechtsanwalt Dr. Ulrich Walter Stoklossa, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Versicherungsrecht und Familienrecht Aschaffenburg (06021/585 1270), Marktheidenfeld (09391/916670) und Würzburg (Tel. 0931/406 200 62), www.radrstoklossa.de.