Sozialrecht

Kurierfahrer ohne Freiräume ist abhängig beschäftigt

Zuletzt bearbeitet am: 10.02.2024

Potsdam. Wenn ein Transportunternehmen einem vermeintlich selbstständigen Kurierfahrer Fahraufträge erteilt und ihn mit „organisatorische Tipps“ und „Arbeitsanleitungen“ einbindet, kann dies dafür sprechen, dass eine Scheinselbstständigkeit vorliegt. Das entschied das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (LSG) in Potsdam mit einem am Montag, 4. Juli 2022, bekannt gegebenen Urteil (Az.: L 28 BA 23/19). Es verurteilte damit einen Transportdienstleister zur Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen.

Das Unternehmen hat mit einem Kurierfahrer einen Rahmenvertrag für Transportaufträge abgeschlossen. In den Jahren 2016 und 2017 übernahm der Fahrer mit seinem eigenen Fahrzeug Kurierdienste. Zwar hatte der Fahrer ein Gewerbe angemeldet, er verfügte aber nicht über eigene Mitarbeiter oder einen Betrieb. Über Funk erhielt er die Aufträge aus der Firmenzentrale.

Das Unternehmen erstellte monatliche Abrechnungen über die die ermittelten Tranportkilometer und zog dafür von der Vergütung eine Verwaltungspauschale ab. Außerdem beinhaltete der Rahmenvertrag mit dem Kurierfahrern auch „organisatorische Tipps“ und „Arbeitsanleitungen“ zur Durchführung der Arbeit.

Am 29. Juni 2022 entschied das LSG, dass der Kurierfahrer hier als Scheinselbstständiger abhängig beschäftigt war. Das Transportunternehmen sei daher verpflichtet, Kranken-, Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherungsbeiträge nachzuzahlen.

Der Kurierfahrer sei in die Arbeitsorganisation des Unternehmens fremdbestimmt eingebunden gewesen. Nach dem Rahmenvertrag habe er bei der Arbeit keine wesentlichen Freiräume geräumt, obwohl er seine Route selbst bestimmen und sein eigenes Auto benutzen konnte. Die gesamten Umstände würden hier darauf hinweisen, dass er sich um eine abhängige Beschäftigung handelte.

Die Aufträge seien dem Fahrer vermittelt und seine Tätigkeit genau vorgegeben worden. Auch die Abrechnungen sei von der Transportfirma erstellt worden und nicht vom Kurierfahrer selbst, so das LSG weiter.

Quelle: © Fachanwalt.de

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