Erfurt (jur). Eine Massenentlassungsanzeige an die Bundesagentur für Arbeit muss nicht zwingend auch Angaben über Beruf, Alter, Geschlecht und Staatsangehörigkeit der zu entlassenden Arbeitnehmer enthalten. Sie ist auch ohne diese Angaben wirksam, urteilte am Donnerstag, 19. Mai 2022, das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt (Az.: 2 AZR 467/21). Es hob damit ein gegenteiliges Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts (LAG) auf und beendete die durch dieses Urteil ausgelöste Rechtsunsicherheit.
Laut Kündigungsschutzgesetz müssen Unternehmen mit mehr als 20 Beschäftigten die Arbeitsagentur über Massenentlassungen informieren. Was als Massenentlassung gilt, hängt von der Zahl der Beschäftigten im jeweiligen Betrieb ab. In kleineren Betrieben mit 21 bis 59 Beschäftigten reicht die Entlassung von mindestens sechs Arbeitnehmern, danach sind es zehn Prozent oder 25 Arbeitnehmer, ab 500 Beschäftigten im Betrieb dann die Entlassung von mindestens 30 Arbeitnehmern, jeweils innerhalb von 30 Tagen.
Dabei „muss“ diese Massenentlassungsanzeige über die Gründe der Entlassungen informieren, zudem unter anderem die betroffenen Berufsgruppen und die Zahl der betroffenen Arbeitnehmer. Im Einvernehmen mit dem Betriebsrat „sollen“ auch Angaben zu Beruf, Alter, Geschlecht und Staatsangehörigkeit der zu entlassenden Arbeitnehmer gemacht werden. Der Betriebsrat muss eine Kopie und die Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten.
Im Streitfall hatte der Arbeitgeber in einem Betrieb mit weniger als 60 Mitarbeitern 2019 17 Beschäftigte entlassen. Die Klägerin meinte, ihre Kündigung sei nichtig, weil in der Massenentlassungsanzeige des Arbeitgebers die sogenannten „Soll-Angaben“ fehlten. In diesem und einem weiteren Fall war das Hessische Landesarbeitsgericht (LAG) in Frankfurt am Main dem noch gefolgt; nach EU-Recht müssten Arbeitgeber die Soll-Angaben zumindest bis zur Kündigung nachholen (Urteil vom 19. Mai 2022, Az.: 2 AZR 467/21; veröffentlichter Parallelfall: Urteil vom 25. Juni 2021, Az.: 14 Sa 1225/20).
Doch „das Fehlen der sogenannten Soll-Angaben (…) führt für sich genommen nicht zur Unwirksamkeit einer Massenentlassungsanzeige des Arbeitgebers gegenüber der Agentur für Arbeit“, urteilte nun das BAG. Es hob beide Urteile auf und verwies die Fälle zur weiteren Prüfung an das LAG Frankfurt zurück.
Zur Begründung verwiesen die Erfurter Richter auf den klaren Wortlaut und den sich daraus ergebenden „eindeutigen Willen des Gesetzgebers“. Über diesen dürften sich die Arbeitsgerichte auch unter Verweis auf EU-Recht nicht hinwegsetzen. Zudem habe der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg bereits geklärt, dass auch nach EU-Recht diese Angaben in einer Massenentlassungsanzeige nicht zwingend enthalten sein müssen.
Quelle: © www.juragentur.de - Rechtsnews für Ihre Anwaltshomepage
Symbolgrafik:© Zerbor - stock.adobe.com
Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock