Stuttgart. Nicht-binäre Menschen, die sich weder als Frau noch als Mann fühlen, haben keinen Anspruch darauf, ihren Körper so anzugleichen, dass dieser ein möglichst geschlechtsneutrales Äußeres hat. Das hat das Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) in einem am Montag, 18. Juli 2022, bekannt gegebenen Urteil (Az.: L 5 KR 1811/21) entschieden.
Bei der klagenden Person lagen seit der Geburt weibliche Geschlechtsmerkmale vor.Da sie sich jedoch keinem Geschlecht zugehörig fühlte, änderte sie ihren Vornamen im Geburtsregister und gab beim Geschlecht an „ohne Angabe“.
Außerdem beantragte sie bei ihrer Krankenkasse eine Brustentfernung. Dies wurde von der Krankenkasse jedoch abgelehnt. Im Alter von 22 Jahren ließ sie dann auf eigene Kosten die Operation durchführen. Mit ihrer Klage fordert sie die Erstattung der Kosten in Höhe von rund 5.000 Euro.
Das Sozialgericht Mannheim hatte der Klage in der Vorinstanz noch stattgegeben (Urteil vom 14. April 2021, Aktenzeichen: S 4 KR 3011/20). Von den Krankenkassen müssten die Kosten bei Transsexuellen für eine operative Geschlechtsanpassung übernommen werden. Aus Gleichheitsgründen müsse dies auch für nicht-binäre Menschen gelten, die sich weder als Frau noch als Mann fühlen.
Das LSG folgte dieser Ansicht nicht und hat die Klage nun abgewiesen. Von dem Grundsatz, dass Eingriffe am gesunden Körper nicht von den Krankenkassen übernommen werden, gebe es zwei Ausnahmen: bei gravierenden Abweichungen vom „Regelfall“ und zur Geschlechtsangleichung bei Transsexuellen.
Im vorliegenden Fall habe die Person normal ausgesehen wie eine Frau. Sie sei nicht transsexuell und ihre Brüste seien gesund gewesen. Sie habe „ausschließlich eine subjektiv empfundene Belastung durch die Eigenwahrnehmung ihrer Brüste geltend gemacht und sich einen flachen Oberkörper gewünscht“.
Für intersexuelle oder nicht-binäre Menschen gebe es jedoch kein spezifisches Aussehen, an das der Körper angepasst werden könne. Folglich scheide eine Übernahme der Kosten durch die Krankenkasse für Eingriffe aus, die das Ziel haben, die „Uneindeutigkeit der äußeren Geschlechtsmerkmale zu erhöhen“.
Vom LSG Stuttgart wurde die Revision gegen dieses Urteil vom 29. Juni 2022 zum Bundessozialgericht Kassel zugelassen.
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