Medizinrecht

OLG Hamm untersagt einseitiges Linderungsverspechen für Kinesiologie

Zuletzt bearbeitet am: 09.12.2023

Kinesiologische Behandlungsverfahren dürfen nicht mit fachlich umstrittenen Wirkungsangaben beworben werden, wenn in der Werbung die Gegenmeinung nicht erwähnt wird. Das hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 20.05.2014 entschieden und damit das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Münster bestätigt.

Die Beklagte aus dem westlichen Münsterland bietet sog. "begleitende Kinesiologie" und "Edu-Kinestetik-BrainGym®" an. Ihre Angebote bewarb sie im Internet in Bezug auf das Behandlungsverfahren "Kinesiologie" u.a. mit den Äußerungen:
"Auf sanfte Art werden die Selbstheilungskräfte aktiviert; ?
Unterstützung oder Beschleunigung des Genesungsprozesses; ? Linderung bei körperlichen Beschwerden; ?
Hilfe bei Allergien, Unverträglichkeiten und toxischen Belastungen; ?
mit dem Anwendungsgebiet ? Narbenstörungen, ? Migräne, ? Rückenschmerzen, ? Verdauungsprobleme, ? Menstruationsschmerzen, ? Entgiftung, ? Burnout, ? Schlafstörungen, ? Nervosität, ? Depressionen, ?
mit sanftem Druck wird der Muskeltonus, zum Beispiel am Arm, getestet. So erfahren wir, wo und wie der natürliche Energiefluss im Körper beeinträchtigt wird ? Kinesiologische Balancen bauen Stress ab und regen die Selbstheilungskräfte an??

Das kinesiologische Verfahren "Edu-Kinestetik-BrainGym®" beschrieb sie u.a. mit
"Auflösung von Energieblockaden zwischen beiden Gehirnhälften".
Der klagende Wettbewerbsverein aus Berlin hat gemeint, die Werbeaussagen der Beklagten stellten eine irreführende Heilmittelwerbung dar. Die Kinesiologie und ihre Varianten seien zu Diagnosezwecken ungeeignet und in ihrer therapeutischen Wirksamkeit nicht belegt. Von der Beklagten hat er die Unterlassung der Werbung begehrt.

Die Unterlassungsklage des Klägers hatte Erfolg. Der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm hat der Beklagten die streitgegenständliche Internetwerbung als irreführende und damit unzulässige Heilmittelwerbung untersagt.

Auch wenn die Beklagte mit den Äußerungen keine Heilung von Krankheiten allein durch die Anwendung der (begleitenden) Kinesiologie in Aussicht stelle, suggerierten die Aussagen, dass die angebotenen Leistungen als Ergänzung bzw. Unterstützung einer medizinischen/therapeutischen Behandlung zur Linderung von Krankheiten, Leiden bzw. krankhaften Beschwerden beitragen könnten.

Nach dem Heilmittelwerbegesetz unterlägen gesundheitsbezogene Werbeaussagen strengen Anforderungen. Sie müssten wissenschaftlich gesicherten Erkenntnissen entsprechen. Gebe es diese nicht, sei es unter anderem unzulässig, wenn mit einer fachlich umstrittenen Meinung geworben werde, ohne die Gegenmeinung zu erwähnen. Die Wirkungsmöglichkeiten kinesiologischer Behandlungen seien wissenschaftlich umstritten. Da die Beklagte bei ihrer Internetwerbung auf die die Wirksamkeit der Kinesiologie infrage stellende wissenschaftliche Gegenmeinung nicht hingewiesen habe, müsse sie beweisen, dass ihre Werbeaussagen richtig seien und gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entsprächen. Diesen Nachweis habe sie nicht geführt. Deswegen sei ihre Werbung unzulässig.

Quelle: OLG Hamm

Symbolgrafik: © bilderbox - Fotolia.com

Diesen Artikel bewerten
Über den Autor





Weitere Artikel der Redaktion zum Thema
Medizinrecht Zweifel bei Freistellung von Masernschutzimpfung eines Schülers

Düsseldorf (jur). Bei Zweifel an einem ärztlichen Zeugnis über eine Freistellung von einer Masernimpfung kann das Gesundheitsamt eine amtsärztliche Untersuchung anordnen. Mit Zwangsmitteln kann die ärztliche Untersuchung allerdings nicht durchgesetzt werden, entschied das Verwaltungsgericht Düsseldorf in einem am Freitag, 17. November 2023, bekanntgegebenen Beschluss (Az.: 29 L 2480/23).  Konkret ging es um einen siebenjährigen Schüler aus Wuppertal. Dieser wollte ohne vorgeschriebene Masernschutzimpfung die Schule besuchen. Hierfür legte er ein ärztliches Attest einer Ärztin aus der Oberpfalz vor. Diese hatte ihm auf einem Vordruck bescheinigt, dass der ... weiter lesen

Medizinrecht Patientenverfügung muss Behandlungssituation erfassen

Karlsruhe (jur). Soll eine Patientenverfügung eine Zwangsbehandlung in der geschlossenen Psychiatrie verhindern, darf der psychisch Kranke das Behandlungsverbot nicht zu allgemein fassen. Die in der Verfügung enthaltene Regelung muss sich auf die konkrete Behandlungssituation der geschlossenen Unterbringung beziehen und die etwaigen Konsequenzen wie etwa Gesundheitsschäden bei ausbleibender Behandlung erfassen, forderte der Bundesgerichtshof (BGH) in einem am Mittwoch, 17. Mai 2023, veröffentlichten Beschluss (Az.: XII ZB 232/21). Bei einer bestehenden konkreten Gefahr für Leib und Leben anderer Personen – wie etwa Pflegekräfte und Ärzte – kann die Zwangsmedikation ... weiter lesen

Medizinrecht Kein Schmerzensgeld für „Krebsangst“ wegen verunreinigter Arznei

Frankfurt/Main (jur). Wenn eine später festgestellte Verunreinigung eines Medikaments das Krebsrisiko minimal erhöht, rechtfertigt dies keine Schadenersatzansprüche gegen den Hersteller. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main in einem am Dienstag, 16. Mai 2023, bekanntgegebenen Urteil entschieden (Az.: 13 U 69/22).  Hintergrund sind 2018 bei einem chinesischen Hersteller festgestellte Verunreinigungen des Wirkstoffs Valsartan. Er enthielt N-Nitrosodimethylamin, das als „wahrscheinlich krebserregend“ gilt. Mehrere Pharmaunternehmen, die den Blutdrucksenker von dort bezogen hatten, mussten ihre Medikamente zurückrufen. Die Klägerin aus Südhessen ... weiter lesen

Medizinrecht Haartransplantation im In- und Ausland: Worauf Patienten vor der OP achten sollten

Eine Haartransplantation ist ein medizinischer Eingriff, der mit erheblichen Risiken verbunden sein kann. Wenn bei diesem Eingriff Fehler auftreten, kann der Patient unter Umständen Anspruch auf Schadensersatz haben. Sorgfältige Auswahl der medizinischen Einrichtung Vor einer Entscheidung für eine Haartransplantation sollten Patienten sorgfältig prüfen, welche Aspekte zu berücksichtigen sind. Ferner ist besonders die gründliche Recherche über den behandelnden Arzt oder die Klinik von Bedeutung. Wird eine Transplantation im Ausland in Betracht gezogen, kann die Auskunft zusätzlich erschwert sein.  Erfahrungsberichte Eine Möglichkeit, die ... weiter lesen

Ihre Spezialisten