Stuttgart (jur). Haben verheiratete afghanische Frauen in ihrem Heimatland eine Putzstelle bei einem ausländischen Arbeitgeber angenommen, kann dies eine Verfolgung wegen des Geschlechts begründen und damit einen Asylanspruch zur Folge haben. Dies entschied das Verwaltungsgericht Stuttgart in einem am Mittwoch, 8. Mai 2013, veröffentlichten Urteil (Az.: A 6 K 2666/12).
Im entschiedenen Fall war die verheiratete afghanische Klägerin mit ihrem Sohn und ihrem an Diabetes erkrankten Mann nach Deutschland geflohen. Die Familie gehört der schiitischen Volksgruppe der Hazara an. Die Frau hatte angegeben, dass sie wegen der Erkrankung ihres Ehemannes alleine für den Lebensunterhalt der Familie sorgen musste.
Sie habe etwa zwei Jahre bei einer englischen Familie dreimal pro Wochen geputzt. Als Folge des Putzjobs sei sie von Familienangehörigen und auch von den Taliban bedroht und verfolgt worden. Bei den Hazara sei es üblich, dass die Frau nicht arbeiten gehe – erst recht nicht bei Ausländern im privaten Bereich, so die Klägerin.
Verwandte und Nachbarn hätten ihr deshalb vorgeworfen, als Prostituierte zu arbeiten. Sie habe mehrere Schreiben erhalten, in denen sie unter anderem auch mit dem Tode bedroht wurde. Ihr Mann sei wegen ihrer unehrenhaften Putzstelle bei der englischen Familie brutal zusammengeschlagen und beschimpft worden. Ein Angehöriger der Taliban habe sie ebenfalls gepackt und an den Haaren gerissen. Er habe ihr gedroht, dass man sie umbringen werde, wenn sie die Arbeit nicht aufgebe.
Bei der afghanischen Polizei habe sie dreimal Anzeige erstattet, ohne dass etwas passiert sei. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan habe sie Angst um ihr Leben.
Das Verwaltungsgericht hielt in seinem Urteil vom 23. April 2013 die Aussagen der Frau für glaubhaft und erkannte sie als Flüchtling an. Sie sei in Afghanistan wegen ihres Geschlechts von „nichtstaatlichen Akteuren“ verfolgt worden, ohne dass der Staat Schutz vor Verfolgung bot und ohne dass sie eine inländische Fluchtalternative hatte.
Es füge sich „nahtlos in Erkenntnisse über die konservativ-patriarchalische Gesellschaft“ ein, dass eine Putzstelle bei Ausländern als „unziemlich“ angesehen und sogar Prostitution vermutet werde. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan müsse die Klägerin wegen der schweren Krankheit ihres Mannes wieder arbeiten gehen. Damit drohten jedoch erneute Verfolgungen.
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