Bankrecht und Kapitalmarktrecht

Sittenwidrigkeit Arbeitnehmerbürgschaft

Sittenwidrigkeit Arbeitnehmerbürgschaft

Für wirtschaftlich angeschlagene Unternehmen ist er einzige Weg zur Rettung häufig die Übernahme einer Bürgschaft durch einen Arbeitnehmer (sog. Arbeitnehmerbürgschaft), um einen Kredit für das Unternehmen gewährt zu bekommen.

Was ist eine Arbeitnehmerbürgschaft?

Bei der Arbeitnehmerbürgschaft handelt es sich um eine Bürgschaft, die der Arbeitnehmer für ein Darlehen des Unternehmens, in dem er angestellt ist, übernimmt. Dieses ist in diesen Fällen meist derart in eine finanzielle Schieflage geraten, dass es ohne die Übernahme einer Bürgschaft kein Darlehen gewährt bekommt.

 

Bei der Bürgschaft handelt es sich um einen einseitig verpflichtenden Vertrag, durch den sich der Bürge (hier der Arbeitnehmer) gegenüber dem Gläubiger (z.B. einem Kreditinstitut) verpflichtet, für die Erfüllung einer Verbindlichkeit des Hauptschuldners (hier des Unternehmens) einzustehen (§ 765 ff. BGB).

 

Eine Bürgschaft ist immer dann erforderlich, wenn der Hauptschuldner alleine aufgrund fehlender Kreditwürdigkeit kein Darlehen in Anspruch nehmen kann.

Der Bürge tritt in diesem Fall als weiterer Schuldner hinzu, falls der Hauptschuldner seine Verbindlichkeiten nicht mehr bedienen kann. Dies bringt dem Kreditgeber den Vorteil, das Darlehen und dessen Rückzahlung besser absichern zu können und dem Hauptschuldner den Vorteil trotz fehlender Sicherheiten ein Darlehen gewährt zu bekommen. Für den Bürgen ist die Bürgschaft jedoch mit erheblichen Risiken verbunden: Kann der Hauptschuldner das gewährte Darlehen nicht mehr zurückzahlen, kann sich der Kreditgeber für die Rückzahlung auch an ihn halten. Er haftet dann für die fremde Verbindlichkeit je nach Ausgestaltung der Bürgschaft sogar mit seinem gesamten Vermögen.

 

Zur Zulässigkeit der Arbeitnehmerbürgschaft:

Gerade bei Arbeitnehmerbürgschaften stellt sich die Frage, ob solche überhaupt rechtlich zulässig sind.

Dies ist insbesondere unter dem Gesichtspunkt kritisch zu werten, dass die Bürgschaft durch den Arbeitnehmer in der Regel durch die Sorge um den Erhalt des Arbeitsplatzes motiviert ist und unter diesem Gesichtspunkt sittenwidrig sein könnte.

 

Dies hat erhebliche Auswirkungen für den Bürgen: Ist die Bürgschaft sittenwidrig und daher unwirksam, kann der Bürge durch den Darlehensgeber nicht in Anspruch genommen werden und sich so seiner Haftung für die Schuld des Hauptschuldners entziehen.

 

Grundsätzlich gilt jedoch: Arbeitnehmerbürgschaften sind nicht schon deshalb sittenwidrig, weil sie vom Arbeitnehmer ohne eine Gegenleistung in einer wirtschaftlichen Notlage des Arbeitgebers übernommen werden.

Dies hat der BGH in seinem Urteil vom 11.09.2018 (Az.: XI ZR 380/16) entschieden.

 

Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Das Unternehmen, in dem der Bürge angestellt war, stand kurz vor der Insolvenz. Einzige Möglichkeit, diese abzuwenden wäre die Gewährung eines weiteren Kredits gewesen. Die Bank weigerte sich jedoch, ein solches Darlehen ohne die Übernahme einer Bürgschaft zu gewähren.

Daraufhin erklärten sich zwei Arbeitnehmer des Unternehmens bereit, jeweils eine selbstschuldnerische Bürgschaft zu übernehmen. Hierbei wussten diese auch um die finanzielle Situation des Unternehmens.

 

Trotz der Gewährung eines weiteren Kredits musste bald darauf das Insolvenzverfahren eröffnet werden, in dessen Rahmen auch die beiden Bürgen in Anspruch genommen wurden.

Diese verweigerten die Zahlung mit der Begründung, die Bürgschaftsverträge seien sittenwidrig. Nachdem sie hiermit in den ersten beiden Instanzen Erfolg hatten, entschied der BGH in letzter Instanz nun: Die Bürgschaften seien nicht sittenwidrig.

 

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts seien derartige Arbeitnehmerbürgschaften nicht deshalb bereits regelmäßig sittenwidrig, da sie vom Arbeitnehmer ohne eine Gegenleistung in einer wirtschaftlichen Notlage des Arbeitgebers übernommen werden.

Eine private Bürgschaft werde vielmehr gerade typischerweise unentgeltlich und zur Unterstützung des Hauptschuldners in einer für diesen wirtschaftlich schwierigen Situation übernommen. Allein die Kenntnis des Gläubigers von solchen Umständen könne daher eine Sittenwidrigkeit einer solchen Bürgschaft nicht begründen. Auch das naheliegende Motiv eines unentgeltlich bürgenden Arbeitnehmers, seinen Arbeitsplatz zu erhalten, führe daher nicht zur Sittenwidrigkeit der Bürgschaft.

Gerade für einen solventen, gut verdienenden Angestellten, etwa in leitender Position, stelle die Übernahme einer Arbeitnehmerbürgschaft ein hinnehmbares Risiko dar, das sich bei einer Erholung der wirtschaftlichen Situation des Arbeitgebers auch auszahlen könne.

Aus diesem Grund sei die Übernahme eines solchen Risikos auch von der Privatautonomie des bürgenden Arbeitnehmers gedeckt und stehe nicht in Widerspruch zu grundlegenden Wertungen der Rechts- und Sittenordnung. Vielmehr sei die Vertragsfreiheit in nicht gerechtfertigter Weise beschnitten, wenn etwa eine Arbeitnehmerbürgschaft auch dann sittenwidrig und damit nichtig wäre, wenn der bürgende Arbeitnehmer finanziell ausreichend leistungsfähig sei oder die Haftung für einen nicht erheblichen Betrag übernommen habe.

 Fazit:

Auch wenn ohne die Übernahme einer Arbeitnehmerbürgschaft der Erhalt des Arbeitsplatzes in Gefahr ist, sollten Sie als Arbeitnehmer eine solche Bürgschaft nicht ohne weiteres übernehmen. Diese birgt ein erhebliches Haftungsrisiko, dem auch häufig nicht mit dem Einwand der Sittenwidrigkeit des Vertrags entgegengetreten werden kann.

Rechtsanwalt Dr. Martin Heinzelmann, LL.M., Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, vertritt Ihre Interessen deutschlandweit.

 

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