Köln (jur). Beschäftigte am Uniklinikum Bonn dürfen für einen neuen „Tarifvertrag Entlastung“ streiken. Weder ist der von der Gewerkschaft Verdi veranlasste Streik unverhältnismäßig, noch sind die im Streikaufruf enthaltenen Ziele zu unbestimmt, entschied am Freitag, 1. Juli 2022, das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln (Az.: 10 SaGa 8/22). Eine tarifvertragliche Verletzung der Friedenspflicht liege mit der Arbeitskampfmaßnahme ebenfalls nicht vor.
Verdi hat seit Anfang Mai 2022 die Beschäftigten an den sechs nordrhein-westfälischen Unikliniken zum Streik aufgerufen. Die Arbeitgeber sollen so zum Abschluss eines neuen Tarifvertrags „Entlastung“ bewegt werden. Gefordert wird eine personelle Mindestbesetzung in den Kliniken oder auch ein Freizeitausgleich für Arbeit in belastenden Situationen. An allen Standorten hat Verdi mit den Klinikleitungen einen Notdienst vereinbart, der eine Patientengefährdung ausschließen soll.
Das Uniklinikum Bonn hält die Streikmaßnahmen für rechtswidrig und beantragte den Erlass einer einstweiligen Verfügung zum Widerruf des Streikaufrufs und zur Unterlassung weiterer Streikmaßnahmen.
Doch der Antrag hatte sowohl vor dem Arbeitsgericht Bonn als auch vor dem LAG keinen Erfolg. Die Tarifforderungen seien ausreichend bestimmt, entschieden die Kölner Richter. Dem stünden auch nicht abschließende oder beispielhafte Forderungen im Streikaufruf entgegen. Die Arbeitgeberseite könne sich hinreichend darauf einstellen, wie sie auf die formulierten Tarifziele reagiere. Der Streik ziele zudem nur darauf, die eigentlichen Tarifverhandlungen anzuschieben. Die konkrete Ausgestaltung sei dann Sache der Verhandlungen.
Den Einwand des Arbeitgebers, dass es wegen Regelungen des Gesetzes über die Pflegeberufe und weiterer Vorschriften zu anästhesie-und operationstechnischen Assistenten kein Raum für tarifliche Vereinbarungen gebe, gehe fehl. Denn auch über die gesetzlichen Vorschriften hinaus könne „insbesondere einer zur Stärkung der Ausbildungsqualität beabsichtigten günstigeren Regelung der Tarifvertragsparteien“ vereinbart werden. Rechtswidrig sei der Streik somit nicht.
Auch verstoße der Streik für einen „Tarifvertrag Entlastung“ nicht gegen die tarifvertragliche Friedenspflicht, so das LAG. Denn weder der bestehende TV-L noch die Ausbildungstarifverträge TV-L Gesundheitsberufe und TVA-L Pflege regelten abschließend das Streikziel einer vorbeugenden Verhinderung des Entstehens spezifischer Belastungssituationen bei den Beschäftigten.
Schließlich sei der Streik auch nicht unverhältnismäßig. Verdi sei mit der Vereinbarung über die Einrichtung einer ausreichenden und geeigneten Notversorgung genügend auf die Interessen des Arbeitgebers und Patientinnen und Patienten eingegangen.
Quelle: © www.juragentur.de - Rechtsnews für Ihre Anwaltshomepage
Symbolgrafik:© tournee - stock.adobe.com
Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock