Wenn Haustiere einen Schaden anrichten, muss der Halter des Tieres häufig mit einer Haftung rechnen. Weshalb das so ist und wie es mit der Höhe der Haftung aussieht, erfahren Sie in diesem Ratgeber.
Normalerweise haftet nach den Regeln der deliktischen Haftung nur, wer schuldhaft einen Schaden angerichtet oder gegen ein Schutzgesetz verstoßen hat. Dies ergibt sich aus § 823 Abs. 1 BGB bzw. § 823 BGB. Anders sieht dies im Rahmen der sogenannten Tierhalterhaftung gem. § 833 Satz 1 BGB aus. Hierbei handelt es um eine Gefährdungshaftung, bei der sich lediglich die Tiergefahr realisieren muss. Was das bedeutet, wird am nachfolgenden Fall deutlich.
Tierhalterhaftung bei Sturz auf dem gemeinsamen Geh- und Radweg
Ein Ehepaar fuhr auf einem gemeinsamen Geh- und Radweg mit dem Fahrrad. Nachdem sie sich von hinten einer Fußgängergruppe mit einem nicht angeleinten Hund genährt hatten, wechselte der Hund von der rechten auf die linke Seite des Weges. Dies hatte zur Folge, dass die Radfahrerin mit dem Hund zusammenstieß und stürzte. Sie verlangte daraufhin von der Halterin des Hundes Schadensersatz.
Das hanseatische Oberlandesgericht Hamburg sprach ihr mit Urteil vom 08.11.2019 – 1 U 155/18 Schadensersatz in Höhe von etwa 25.000 Euro insbesondere für den erlittenen Haushaltsschaden nach § 833 Satz 1 BGB zu. Das Gericht begründete dies damit, dass sich durch das Wechseln des Hundes auf die linke Seite die Tiergefahr realisiert hatte. Dabei kommt es nicht darauf an, wie schnell sich der Hund bewegt hatte. Anders hätte dies dann ausgesehen, wenn der Hund irgendwo gesessen hätte.
Allerdings kürzten die Richter den Anspruch wegen Mitverschuldens um ein Drittel. Ihr Mitverschulden liegt nach den Feststellungen des Gerichtes darin, dass sie sich nicht gegenüber der Fußgängergruppe etwa durch Klingeln bemerkbar gemacht hatte. Denn auf einem gemeinsamen Geh- und Radweg brauchen Fußgänger nach Auffassung des Gerichtes nicht ständig auf Radfahrer achten, die von hinten kommen. Aufgrund der Enge des Weges und der damit verbundenen kritischen Verkehrssituation müssen Radfahrer vorsichtig sein.
Hund springt Jogger an
In einem weiteren Sachverhalt ging ein Mann mit seinem Hund im Wald spazieren ging. Der nicht angeleinte Hund sprang einen Jogger an. Als das Zurufen nicht half, setzte sich der Jogger mit einem Ast zur Wehr. Dabei zog er sich einen Riss der Quadrizepssehne zu, die operativ versorgt werden musste. Der Jogger nahm den Tierhalter auf Schadensersatz in Anspruch.
Das Oberlandesgericht Koblenz stellte mit Beschluss vom 18.10.2018 – 1 U 599/18 klar, dass hier der Tierhalter für den vollständigen Schaden aufkommen muss. Der Anspruch ergibt sich aus § 833 Satz 1 BGB sowie aus § 823 Abs. 2 BGB, weil der Tierhalter durch das Herumlaufenlassen des Hundes gegen die örtliche Gefahrenabwehrverordnung verstoßen hatte. Diese stellt ein Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB dar. Die Kürzung des Anspruches wegen Mitverschuldens gem. § 254 BGB kommt nicht in Betracht, weil Spaziergänger in solchen Situationen zu effektiven Abwehrmaßmaßnahmen berechtigt sind. Gleichgültig ist dabei, ob der Hund nur spielen möchte. Daran sieht man: Eine Kürzung wegen Mitverschuldens kommt normalerweise nicht infrage.
Tierhalterhaftung bei Hunderangelei
Sofern es zu einer Rangelei zwischen einem freilaufenden Hund und dem eigenen Hund kommt, müssen Geschädigte häufig damit rechnen, dass ihr Anspruch wegen Mitverschuldens gekürzt wird.
Dies gilt vor allem, wenn der eigene Hund nicht angeleint gewesen ist. So war es etwa in einem Sachverhalt, in dem es zu einer Auseinandersetzung zwischen zwei nicht angeleinten Hunden in einem Stadtpark gekommen war. Der Tierhalter wurde beim Eingreifen an der Hand gebissen. Das Oberlandesgericht Hamm entschied mit Urteil vom 10.05.2019 - 9 U 8/18, dass hier der Anspruch des Tierhalters auf Schadensersatz unter anderem aus § 833 Satz 1 BGB wegen Mitverschuldens gem. § 254 BGB um 25% zu kürzen war.
In einem weiteren Fall war es zu einer Rangelei zwischen einer nicht angeleinten Bulldogge ohne Maulkorb und einem ebenfalls nicht angeleinten Mischlingshund gekommen. Hier kürzte das Oberlandesgericht München mit Urteil vom 12.12.2018 – 20 U 1474/18 den Anspruch des Halters des Mischlings auf Schmerzensgeld sowie Schmerzensgeld um 75%, weil dieser ein erhebliches Mitverschulden trage. Dies ergab sich unter anderem daraus, dass sich der Hund des Klägers laut Zeugenaussagen besonders aggressiv verhalten hatte.
Kürzung wegen Mitverschuldens trotz angeleintem Hund möglich
Allerdings ist eine Kürzung des Anspruchs unter Umständen auch möglich, wenn der geschädigte Tierhalter seine Hunde angeleint hatte. Dies ergibt sich aus einem Fall, in dem eine Frau ihre beiden an einer Leine befindlichen Hunde ausgeführt hatte. Als ein anderer Hund von einem benachbarten Grundstück kam, kam es unter den drei Hunden zu einem Getümmel. Aufgrund dessen verhedderte sich die Frau in die Leine und fiel hin.
Das Oberlandesgericht Koblenz erkannte hier einen Anspruch der gestürzten Frau auf Schmerzensgeld aus § 833 Satz 1 BGB in Höhe von fast 5.000 Euro mit Urteil vom 09.12.2019 – 12 U 249/18 zu. Die typische Tiergefahr lag darin, dass der Hund des Grundstückseigentümers durch sein Verhalten das Getümmel und damit den Sturz zur Folge gehabt hatte. Allerdings musste sich die gestürzte Frau ein Mitverschulden von einem Drittel anrechnen lassen. Dieses lag nach Auffassung des Gerichtes darin, dass ihre beiden Hunde an dem Getümmel beteiligt gewesen sind.
Eingeschränkte Haftung des Tierhalters für Nutztier
Anders ist dies nach § 833 Satz 2 BGB, wenn der Schaden durch ein Haustier verursacht wird, das dem Beruf, der Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalt des Tierhalters zu dienen bestimmt ist. Bei einem solchen Nutztier kommt eine Haftung des Halters nur in Betracht, wenn er seine persönliche Sorgfaltspflicht verletzt hat. Beispielsweise ist beim Einsatz eines Hundes in der Landwirtschaft oder als Blindenhund zumeist von einem Nutztier auszugehen.
Fazit:
Tierhalter müssen häufig damit rechnen, dass sie unbeschränkt haften. Sie sollten vor allem darauf achten, ob in ihrer Gemeinde eine Anleinpflicht besteht. Eine Haftungsbeschränkung gilt nur unter besonderen Umständen. Von daher ist der Abschluss einer Tierhalterversicherung zu empfehlen. Dabei sollte genau auf das Kleingedruckte geachtet werden. Das gilt ebenfalls für Dogsitter. Bei ihnen kommt eine Haftung über § 834 BGB infrage. Geschädigte sollten sich auf jeden Fall die Personalien des Tierhalters geben lassen. Am besten lassen sie sich den Personalausweis zeigen. Bei Zweifelsfragen sollten sie sich bei einem Rechtsanwalt erkundigen. Schwierig sind vor allem die Fälle, in denen der Hund oder ein anderes Haustier des Geschädigten mitverwickelt sind. Hier kommt es sehr auf die jeweiligen Umstände an.
Autor: Harald Büring, Ass. jur. (Fachanwalt.de-Redaktion)
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