Nicht alle Arbeitgeber halten die Schutzvorschriften für Corona / Covid-19 ein. Welche Rechte Arbeitnehmer haben, erfahren Sie in diesem Beitrag.
Dass auch Arbeitgeber wegen der Corona Pandemie Schutzstandards einhalten müssen, ergibt sich daraus, dass sie gegenüber ihren Arbeitnehmern eine Fürsorgepflicht haben gem. § 618 Abs. 1 BGB. Nach dieser Regelung hat der Arbeitgeber als Dienstberechtigter Räume, Vorrichtungen oder Gerätschaften, die er zur Verrichtung der Dienste zu beschaffen hat, so einzurichten und zu unterhalten und Dienstleistungen, die unter seiner Anordnung oder seiner Leitung vorzunehmen sind, so zu regeln, dass der Verpflichtete gegen Gefahr für Leben und Gesundheit soweit geschützt ist, als die Natur der Dienstleistung es gestattet. Dem kommt ein Arbeitgeber nach, wenn er die Vorschriften in Bezug auf den Arbeitsschutz einhält.
Welche Corona Schutzvorschriften gelten für Arbeitgeber?
Was sie bezüglich Corona beachten müssen, ergibt sich aus dem vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales am 16.04.2020 beschlossenen und veröffentlichten SARS-COV- 2 Arbeitsschutzstandard, den das Ministerium mit Pressemitteilung vom 16.04.2020 näher vorstellt. Hiernach müssen Arbeitgeber auf die Einhaltung des Mindestabstandes von 1,50 Meter am Arbeitsplatz (wie Büros, Montagehallen etc.) und in Kantinen/Pausenräumen achten. Nur im Ausnahmefall kommen alternative Schutzmaßnahmen wie Trennwände und das Tragen eines Mund-Nase-Schutzes in Betracht. Des Weiteren dürfen Zimmer in Sammelunterkünften grundsätzlich nur mit einer Person belegt werden. Dass Arbeitgeber dies umsetzen müssen ergibt sich aus § 3 ArbSchG, wonach Arbeitgeber die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes zum Schutz der Gesundheit ihrer Beschäftigten treffen müssen.
Wann dürfen Arbeitnehmer die Arbeitsleistung verweigern?
Wie die Skandale etwa in der Fleischindustrie zeigen, achten manche Arbeitgeber nicht auf die Einhaltung der CORONA-Schutzbestimmungen. Hier steht Arbeitnehmern unter Umständen ein Arbeitsverweigerungsrecht zu in Form eines Zurückbehaltungsrechtes nach § 618 Abs. 1 BGB, § 273 BGB sowie eines Leistungsverweigerungsrechtes gem. § 275 Abs. 3 BGB. In diesem Fall wäre der Arbeitgeber verpflichtet, ihm trotz seiner Arbeitsverweigerung den vollständigen Lohn zu bezahlen.
Inwieweit ihm bei der Verletzung von Corona-Schutzmaßnahmen ein Zurückbehaltungsrecht zusteht, dazu gibt es noch keine Gerichtsentscheidungen. Allerdings ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass dieses dann in Betracht kommt, wenn durch die Verletzung der Regelungen des Arbeitsschutzes der Arbeitnehmer konkret an Leib oder Leben gefährdet wird. Eine abstrakte Gefährdung der Gesundheit wie eine lediglich befürchtete Ansteckung mit Covid-19 am Arbeitsplatz reicht nicht aus. Das Gleiche gilt, wenn es sich um einen geringfügigen oder kurzzeitigen Verstoß gegen den Arbeitsschutz handelt. Dies ergibt sich aus einem Urteil des Bundesarbeitsgerichtes vom 28.06.2018 - 2 AZR 436/17.
Beispielsweise ist das Bundesarbeitsgericht von einer solchen Gesundheitsgefährdung bei einem Ingenieur ausgegangen, der die Erbringung seiner Arbeitsleistung im Funkhaus in Köln wegen Verseuchung mit Asbest verweigert hatte. Das Bundesarbeitsgericht stellte allerdings fest, dass dies nicht für Räume gilt, in denen keine Asbestfasern in der Atemluft festgestellt worden sind (BAG, Urteil vom 19. Februar 1997 - 5 AZR 982/94)
In einem anderen Fall geht es um einen Schlosser, der auf Weisung seines Arbeitnehmers mit einer Werkzeugkiste von etwa 35 kg mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu Einsätzen außerhalb von Berlin fahren sollte. Sein privates Auto sollte er nicht benutzen. Als er sich weigerte, kündigte ihm der Arbeitgeber.
Das Arbeitsgericht Berlin entschied mit Urteil vom 31.10.2014 - 28 Ca 12594/14, dass diese Kündigung rechtswidrig gewesen ist. Die Richter begründeten dies damit, dass der Arbeitgeber aufgrund seines Direktionsrechtes nicht anordnen durfte, dass der Arbeitnehmer mit Koffer öffentliche Verkehrsmittel benutzen musste. Dies ergab sich auch daraus, dass der Arbeitnehmer bereits seit Monaten wegen eines Rückenleidens arbeitsunfähig gewesen ist. Diese Entscheidung ist mittlerweile rechtskräftig.
Aufgrund dieser Rechtsprechung hängt es sehr von Umständen des jeweiligen Einzelfalles ab, ob ein Arbeitnehmer bei Verstößen gegen die Corona-Schutzvorschriften ihre Arbeitsleistung wegen Gefährdung ihrer Gesundheit verweigern dürfen. Hierfür spricht unter anderem ein hoher Publikumsverkehr, wenn die Abstände erheblich unterschritten werden und deshalb eine hohe Ansteckungsgefahr besteht (weil etwa viele Leute in einem geschlossenen Raum mit wenig Zufuhr von Frischluft arbeiten) oder bereits mehrfach Mitarbeiter an Corona erkrankt sind.
Wichtig ist, dass der Arbeitgeber normalerweise vorab darauf aufmerksam gemacht werden muss, dass ein Verstoß gegen den Arbeitsschutz etwa durch zu kleine Mindestabstände am Arbeitsplatz vorliegt und man deshalb die Arbeit verweigert. Darüber hinaus haben Arbeitnehmer auch die Möglichkeit, sich an den Betriebsrat zu wenden oder an die staatlichen Arbeitsschutzbehörden des jeweiligen Bundeslandes. Wer um seinen Arbeitsplatz fürchtet, kann dies auch anonym machen. Dies hat allerdings den Nachteil, dass keine Nachfragen möglich sind.
Fazit:
Wie Arbeitnehmer hier reagieren sollten, hängt vom Arbeitgeber ab. Verstößt dieser vermutlich nur aus Versehen gegen die Corona-Schutzvorschriften und ist einem an einem guten Verhältnis gelegen, sollte das persönliche Gespräch gesucht werden. Anders sieht die Situation aus, wenn es um erhebliche Verstöße geht und der Arbeitgeber vermutlich mit System vorgeht. Dies kommt vor allem bei prekären Arbeitsverhältnissen vor. Hier ist aller Voraussicht nach eine Verweigerung der Arbeitsleistung möglich. Eventuell ist auch eine Anzeige bei der staatlichen Arbeitsschutzbehörde ratsam. Hier sollten Arbeitnehmer möglichst auch die Verstöße dokumentieren, etwa durch Aufnahmen zwecks Beweisführung. Gleichwohl ist es im Hinblick auf die Rechtsfolgen einer unberechtigten Arbeitsverweigerung / Anzeige zu denen eine Kündigung gehört ratsam, dass Sie zuvor bei einem Rechtsanwalt oder dem Rechtssekretär einer Gewerkschaft nachfragen. Das gilt auch für die Frage, inwieweit heimliche Aufnahmen aus dem Betrieb vor Gericht verwertet werden dürfen bzw. der Arbeitgeber deshalb gegen den Arbeitnehmer wegen Verletzung des Betriebsgeheimnisses vorgehen kann. Auf jeden Fall sollten die Bilder nicht einfach im Internet veröffentlicht werden. Arbeitgeber sollten diese Vorschriften unbedingt einhalten, um die mit Verstößen verbundenen Konsequenzen zu vermeiden. Darüber hinaus lassen sich so erhebliche krankheitsbedingte Ausfälle bei den Mitarbeitern und Maßnahmen wie eine vorübergehende Stelllegung wegen Covid-19 verhindern.
Autor: Harald Büring, Ass. jur. (Fachanwalt.de-Redaktion)
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