Strafrecht

Was ist ein Strafbefehl? Wie ist der Ablauf?

12.01.2018
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Zuletzt bearbeitet am: 09.01.2024

Ein Strafbefehl ist eine Verurteilung (Strafe), die man vom Gericht erhält. Allerdings nicht – wie üblich – nach Ablauf einer mündlichen Gerichtsverhandlung vor Gericht. Ein solcher schriftlicher Strafbefehl flattert in den Briefkasten und beinhaltet eine bestimmte Strafe. 
Im deutschen Recht ist das Strafbefehlsverfahren ein vereinfachtes Verfahren zur Bewältigung der leichten Kriminalität. Das Verfahren läuft schriftlich ab. Es kann somit zu einem rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens kommen ohne mündliche Hauptverhandlung. Das Strafbefehlsverfahren hat mehrere Vorteile. Zum Einen werden Gericht und Staatsanwaltschaft entlastet. Zum Anderen kann diese vereinfachte Form aber auch im Interesse des Beschuldigten liegen, da das Verfahren kostengünstiger, schneller und ohne öffentliches Aufsehen erledigt wird.  Die Schuld des Täters muss  hierbei nicht zur Überzeugung des Gerichts feststehen, sondern es genügt ein hinreichender Tatverdacht.  

 

Unter welchen Voraussetzungen kann ein Strafbefehl erlassen werden?

Der Strafbefehl kann unter folgenden in § 407 Abs. 1 und § 408 Abs. 2 StPO normierten Voraussetzungen erlassen werden:

 

Hinreichender Tatverdacht:

Von hinreichendem Tatverdacht spricht man, wenn mit Wahr¬scheinlichkeit zu erwarten ist, dass der Beschuldigte verurteilt wird (BGH StV 1, 579). Hinreichender Tatverdacht ist auch eine  Voraussetzung für die Erhebung der Anklage durch die Staatsanwaltschaft.

 

Antrag der Staatsanwaltschaft:

Die Staatsanwaltschaft, die das Verfahren führt, beantragt den Erlass des Strafbefehls beantragt beim zuständigen Gericht.

 

Zuständigkeit des Strafrichters (§ 25 Gerichtsverfassungsgesetz – GVG) oder Schöffengerichts (§§ 28 ff. GVG)

Zuständig ist der Strafrichter beim Amtsgericht.

 

Kuriosität:

Gemäß Wortlaut der § 407 Abs. 1 und § 408 Abs. 1 StPO kann ein Strafbefehl auch beim Schöffengericht beantragt werden. Das Schöffengericht befindet sich ebenfalls am Amtsgericht und ist eigentlich zuständig für Verbrechen oder für Vergehen, bei denen eine Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren zu erwarten ist. Da jedoch der Strafbefehl nur für Vergehen möglich ist und höchstens eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr festgesetzt werden kann, die zur Bewährung ausgesetzt werden muss, kann im Ergebnis mangels sachlicher Zuständigkeit beim Schöffengericht ein Strafbefehl nicht beantragt werden. Die Erwähnung des Schöffengerichts hat heute nur noch rechtshistorische Begründung. Beim Schöffengericht wird ein Strafbefehl heute also nicht mehr beantragt. Dies gilt aber nur für Strafbefehle nach §§ 407, 408 StPO. Ein Strafbefehl gem. § 408a StPO kann auch heute noch durch das Schöffengericht erlassen werden.

 

Antrag wegen Vergehen

Der Strafbefehl gilt nur für Vergehen (rechtswidrige Taten), für die höchstens eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr festgesetzt werden kann, die zur Bewährung ausgesetzt werden muss, vgl. § 12 StGB.

Durch einen Strafbefehl darf also keine Freiheitsstrafe ohne Bewährung verhängt werden. Wird der Beschuldigte jedoch von einem Verteidiger/Rechtsanwalt vertreten, ist die Verhängung einer Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung möglich (§ 407 Abs. 2 StPO). In Betracht kommen neben Geldstrafen oder Freiheitsstrafen mit Bewährung noch Nebenfolgen, wie etwa ein Fahrverbot, eine Fahrerlaubnisentziehung oder ein Absehen von der Strafe.

 

Wie reagiert der Strafrichter auf den Antrag der Staatsanwaltschaft?

Der Richter hat folgende Möglichkeiten, um auf einen Strafbefehlsantrag zu reagieren:
• Wenn aus Sicht des Richters gegen den Erlass des Strafbefehls keine Bedenken bestehen, hat er den Strafbefehl zu erlassen. Wenn die Staatsanwaltschaft im Strafbefehl eine Freiheitsstrafe beantragt hat und der Beschuldigte noch keinen Verteidiger/Rechtsanwalt hat, so bestellt der Richter gemäß § 408b StPO dem Beschuldigten einen Pflichtverteidiger.
• Ist aus Sicht des Richters der erforderliche hinreichende Tatverdacht nicht gegeben, lehnt er den Erlass des Strafbefehls durch Fertigung eines Beschlusses ab. Gegen diesen Beschluss kann dann die Staatsanwaltschaft sofortige Beschwerde einlegen, vgl. § 210 StPO. Neben der Staatsanwaltschaft sind auch beschwerdebefugt der Nebenkläger und (eingeschränkt) der Privatkläger, nicht hingegen der Verletzte und der Anzeigende, sofern er nicht gleichzeitig Nebenkläger ist.
• Der Richter könnte aber auch eine Hauptverhandlung (Gerichtstermin) anberaumen, wenn er Bedenken hat, ohne eine solche zu entscheiden.  In einer Hauptverhandlung könnten sich Gericht, Staatsanwaltschaft und auch der Verteidiger des Beschuldigten einen besseren Eindruck vom Fall machen und ggf. so leichter zu einer Entscheidung kommen. Auch wenn der Richter von der rechtlichen Beurteilung der Tat im Strafbefehlsantrag abweichen will oder wenn er eine andere als die beantragte Rechtsfolge festsetzen will, setzt er einen Termin an. In einem solchen Fall hat der Richter aber vorher der Staatsanwaltschaft die Gelegenheit zu geben, Stellung zu beziehen und ggf. den Strafbefehlsantrag zu ändern. Dies kommt in der Praxis jedoch eher selten vor. Der Strafrichter gibt in nahezu allen Fällen dem Antrag der Staatsanwaltschaft statt und erlässt den beantragten Strafbefehl.

 

Wie kann der Betroffene auf einen Strafbefehl reagieren?

Durch den Erlass des Strafbefehls wird der Beschuldigte zunächst zum Angeklagten, vgl. § 157 StPO.
Es ist erforderlich, dass dem Angeklagten zunächst der Strafbefehl zugestellt wird. Alternativ könnte der Richter den Strafbefehl dem Angeklagten auch persönlich übergeben. Dies kommt in der Praxis jedoch so gut wie nie vor. Wenn der Angeklagte bereits anwaltlich vertreten ist und sich eine entsprechende Vollmacht in den Akten befindet, wird die Zustellung des Strafbefehls an den Rechtsanwalt erfolgen, vgl. § 145a StPO. Der Angeklagte erhält ggf. dennoch eine separate Mitteilung (Kopie des Strafbefehls). Mit der Zustellung an den Verteidiger gilt die Zustellung in einem solchen Fall auch gegenüber dem Angeklagten als bewirkt. Durch die ordnungsgemäße Zustellung beginnt nun die zweiwöchige Frist zur Einlegung des  Einspruchs. Der Angeklagte wurde also zunächst über den Tatvorwurf informiert. Ab Zustellung des Strafbefehls hat er nun die Möglichkeit, zu entscheiden, ob er Einspruch einlegen möchte oder nicht.

Der Einspruch kann schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle eingelegt werden und muss innerhalb der 2-Wochen-Frist bei dem Gericht, das den Strafbefehl erlassen hat, eingegangen sein. Der Einspruch kann begründet werden, muss es aber nicht. Wenn der Angeklagte innerhalb von zwei Wochen keinen Einspruch eingelegt, wird der Strafbefehl rechtskräftig und steht einem Urteil gleich.
Wenn der Angeklagte rechtzeitig Einspruch eingelegt hat, wird der Richter einen Hauptverhandlungstermin anberaumen.

Im Gegensatz zum normalen Strafverfahren muss der Angeklagte zur Hauptverhandlung selbst nicht erscheinen. Er kann sich durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. Das Gericht kann im Einzelfall dennoch das persönliche Erscheinen des Angeklagten anordnen und notfalls erzwingen, vgl. § 236 StPO. Der Richter führt dann ein normales Hauptverfahren gegen den Angeklagten durch, bei der das "Verbot der Schlechterstellung" nicht gilt. Wer also gegen einen Strafbefehl Einspruch einlegt, geht auch das Risiko höherer Bestrafung ein. Aus diesem Grunde werden viele Strafbefehle direkt rechtskräftig, so dass das Ziel dieses Verfahrens, die Entlastung der Strafjustiz, in der Praxis erreicht wird. Gegen das Urteil des Amtsgerichts kann der Angeklagte die üblichen Rechtsmittel (in der Regel Berufung) einlegen.

Quelle: RA Einbock (fachanwalt.de-Redaktion)

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