Strafrecht

Was ist eine Handlung? Definition und Lehren

29.08.2018
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Zuletzt bearbeitet am: 13.01.2024

Der Begriff „Handlung“ ist zuallererst ein dualistischer Terminus, will heißen, er teilt das Geschehen auf alle Fälle in ein zweigeteiltes Struktursystem von Gut und Böse. Die rechtliche Begrifflichkeit kommt aus der Handelslehre, die im Strafrecht die Rechtfertigung einer Straftat ihrer offensichtlichen Verwerflichkeit gegenüberstellt.

Die Handlungslehre ist ein ausgesprochen weites Feld und unterteilt sich in verschiedene Definitionsschemata. So gibt es neben  der Kausalen Handlungslehre die Negative Handlungslehre ebenso die Personale Handlungslehre und schließlich die Soziale Handlungslehre. Der Handlungsbegriff findet Bedeutung in Strafrecht  sowie im Ordnungswidrigkeitsrecht. Ebenfalls im Polizeirecht als auch im Zivilrecht.

Handlungsarten

Die Arten der Handlungen sind im juristischen Sinn naturgemäß vielfältig. So sind eindeutig definiert die erlaubte Rechtshandlung, die geschäftsähnliche Handlung, der Realakt. Es existieren die rechtswidrige Rechtshandlung, die unerlaubte Handlung und die Pflichtverletzung. Im Verwaltungsrecht gibt es den Verwaltungsakt und den Realakt. Auch im Europarecht sind gewisse rechtliche  Handlungen beschrieben.

Naturalistisch-kausale Handlungslehre

Kausal, auf die Sache bezogen, sieht die kausale Handlungslehre die Begrifflichkeit einer Handlung. Diese Theorie wurde von Franz Ritter von Liszt, der 1919 starb, einem deutschen Professor für Straf- und Völkerrecht, einem Rechtswissenschaftler etabliert. Sie definiert Handlung als jedes denkbare menschliche Verhalten, auch wenn es willkürlich ist.

Eine Handlung wird zur Handlung, wenn willengetragenes Verhalten die Umwelt verändert. Im juristischen Sinn führt diese Lehre zu einer starken Ausweitung des Schuldbegriffes, der das Objektive als Unrecht erkennt, das Subjektive dagegen als Schuld.

Das will heißen, die Motivation des Handelnden schränkt das Unrecht nicht mehr ein. Eine Beschränkung der Strafbarkeit einer Handlungsweise ist so lediglich im Bereich der individuellen Schuld möglich.

Negative Handlungslehre

Für die negative Handlungslehre ist die Handlung einer Person eine 'pflichtwidrige Verletzung der Vermeidungspflicht von Folgen, die rechtlich zu verurteilen sind'. Herzberg sagt hierzu, es sei ein 'Vermeidbares Nichtvermeiden in Garantenstellung'. Die Kritik an dieser Theorie bezieht sich auf die fehlende Unterscheidung zwischen Tätigkeits- und Unterlassungsdelikten.

Personale Handlungslehre

Die sogenannte personale Handlungslehre ist lediglich ein schwammiger Oberbegriff für egal welches Postulat menschlichen Charakters. So wird sie als ohne Konturen und undifferenziert deklassiert.

Finale Handlungslehre

Handlung stellt das bewusst von einem Ziel her geführte, vom eigenen Willen getragene, zweckausgerichtete Verhalten einer Person dar. Das Strafrecht akzeptiert diese Definition und erweitert sie noch um die Begrifflichkeiten des subjektiven und objektiv einwirkenden Handlungsbegriffes.

Somit wird die Menge der vorsatztragenden Elemente zum subjektiven Tatbestand, und sie gehören nicht mehr, wie in der Kausaltheorie vertreten, zu den Schuldelementen. Die finale Handlungslehre stammt zu großen Teilen von Hans Welzel, einem 1977 verstorbenen Rechtsphilosophen und Strafrechtler. Aus dieser finalen Handlungslehre generierte sich die soziale Handlungslehre.

Soziale Handlungslehre

Folgt man der sozialen, personalen Handlungslehre, wie es das Strafrecht heute tut, so beschreibt sich eine Handlung als ein sozialerhebliches Verhalten, das vom jeweiligen, individuellen Willen eines Menschen getragen wird. Die grundlegende Kritik ist die zwingende Schuldzuweisung, die wie bereits zu Beginn bemerkt, dualistische, zwangsläufig wertende Betrachtung.

Findet keine Rekursion statt, ist eine Bewertung des Verhaltens unmöglich. Rekursion ist das formale Prinzip, nach dem im Zuge einer Beschreibung eines bestimmten Sachverhalts auf den darzulegenden Sachverhalt selbst Bezug genommen wird. Das Abgrenzungskriterium ist bei der sozialen Handlungslehre letztlich die Sozialerheblichkeit des Handelns.

Nichthandlungen

Der Handlungsbegriff ist ebenfalls definiert durch den Begriff der Nichthandlung. So gibt es beispielsweise die sogenannte 'unwiderstehliche Gewalt'. Darunter versteht man Körperaktionen, Bewegungen, die jedweder Kontrolle durch den eigenen Willen widerstehen, die nicht beherrschbar sind.

Das könnten beispielsweise epileptische Anfälle sein, Bewegungen im Traum, Störungen des Bewusstseins, auch ein Koma und sogar Reflexbewegungen. Eine Handlung wird von der Rechtswissenschaft nicht als Handlung eingeordnet werden, wenn sie nicht als menschliche Handlung feststeht. Das will heißen, ein Naturereignis, ein Erdbeben, ein Erdrutsch, eine Lawine sind rechtlich keine Handlung.

Es könnte jedoch möglich sein, an eine vorgelagerte Handlung anzuknüpfen, beispielsweise unzureichende Absicherung oder ähnliches. Voraussetzung für eine Handlung im rechtlichen Sinn ist also das Handeln einer natürlichen Person. Ereignisse, welche durch Naturgewalten oder Tiere entstehen, werden nicht unter diese Begrifflichkeit fallen.

Verhalten während einer Bewusstlosigkeit, reflexhaftes Verhalten, in Abgrenzung zu Automatismen und Affekten, unwiderstehliche Gewalt sind ebenfalls Nichthandlungen. Auch gilt immer noch: 'Die Gedanken sind frei'. Gedanken, Gesinnungen, Gefühle sind für den Gesetzgeber 'sozial unerheblich'. 

Handlung in Strafrecht- und Ordnungswidrigkeitsrecht

Das Strafrecht- und Ordnungswidrigkeitsrecht kennen drei verschieden Arten von Handlung.

1. Tathandlung

Mit Tathandlung bezeichnet der Gesetzgeber ein strafbares Verhalten, eine strafrechtlich relevante Handlung. Eine Tathandlung ist immer strafbar, also mit Bußgeld oder Verwarnungsgeld belegt.

2. Verteidigungshandlung und Rettungshandlung

Eine Straftatbestand, eine Tathandlung kann sich als berechtigt erweisen, wenn ihr eine Verteidigungs- oder Rettungshandlung diametral gegenüber steht. Der Straftatbestand kann gerechtfertigt werden, wenn die Handlung die Beendigung einer Gefahr oder eines Angriffs bezweckt, auch, wenn sie sich gegen die Rechtsgüter eines Angreifenden richtet.

3. Rücktrittshandlung

Im Verzug der Ausführung einer strafbaren Handlung kann der Täter eine Rücktrittshandlung vornehmen. Will heißen, er bricht den Tatvorgang ab, verhindert seinen Fortlauf. Die Rücktrittshandlung findet sich genauer definiert in Paragraph 24 StGB.

Handlung im Polizeirecht

Für den Ordnungshüter bedeutet Handlung jedwede Störung der Ordnung, der öffentlichen Sicherheit.

Handlung im Zivilrecht

Die Handlung im Zivilrecht wird mit einer Baumstruktur beschrieben. Es existieren Rechtsgeschäfte und sonstige Rechtshandlungen. Dies letzteren nun sind nochmals aufgeteilt in die erlaubten sonstigen Rechtshandlungen und die rechtswidrigen, verbotenen.

1. Rechtsgeschäft

Ein Rechtsgeschäft wird immer aus zumindest einer Willenserklärung bestehen. Diese führt zu einer Rechtsfolge, weil dies der Sinn und Zweck der Willenserklärung ist.

2. Erlaubte Rechtshandlung

Die geschäftsähnliche Handlung
Mit einer geschäftsähnlichen Handlung wird immer ein rechtserheblicher Wille manifestiert. Er wird jedoch nicht auf die Rechtsfolgen gerichtet sein. Ein Beispiel wäre die Stellvertretung nach den Paragraphen 164 ff. BGB.

Der Realakt
Als Realakt versteht man jedwede Handlung, die für sich keine Erklärung darstellt.

3. Rechtswidrige Handlung

Rechtswidrig ist eine Handlung, wenn sie in aller Regel zu einem Schadenersatzanspruch führt. Man differenziert in der Rechtswissenschaft zwischen der Pflichtverletzung nach den Paragraphen 280 ff. BGB und der unerlaubten Handlung aus dem Deliktrecht gemäß der Paragraphen 823 ff. BGB.

Die unerlaubte Handlung

Eine unerlaubte Handlung soll jede Handlung sein, die einen widerrechtlichen Eingriff auf ein Rechtsgut, welches durch das Gesetz geschützt ist, darstellt. Dabei muss Schaden entstehen. Der Anspruch auf Schadensersatz ergibt sich aus dem Paragraphen 823 Absatz 1 BGB.

Die Pflichtverletzung
Eine Pflichtverletzung wird dann gegeben sein, wenn ein Schuldner eine andere Handlung vollzieht, als sie ihm durch das Schuldverhältnis vorgegeben wäre. 

Verwaltungsrecht

Das Verwaltungsrecht macht einen Unterschied zwischen einer öffentlich-rechtlichen

Rechtshandlung und dem sogenannten Realakt.

Der Verwaltungsakt

Er ist definiert als jedwede

'Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist.'

Der Realakt

Als Realakt bezeichnet der Verwaltungskaufmann ganz einfach 'jedes tatsächliche Tun'.

 

Autor: Fachanwalt.de-Redaktion

Foto: © Vege - Fotolia.com

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