Arbeitsrecht

Zentrale Anwendung von Microsoft Office unterliegt der Mitbestimmung

25.07.2022
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Zuletzt bearbeitet am: 07.03.2024

Erfurt (jur). Microsoft Office bietet Unternehmen weit mehr als Textverarbeitung und Tabellenkalkulation. Die zentral gesteuerte Anwendung des Softwarepakets „Office 365“ ermöglicht eine Kontrolle der Arbeitnehmer und ist daher mitbestimmungspflichtig, betonte das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt in einem am Freitag, 22. Juli 2022, veröffentlichten Beschluss (Az.: 1 ABR 20/21). 

Im konkreten Fall geht es um ein Unternehmen mit einem Verteilzentrum und bundesweit acht weiteren Betriebsstätten. In allen Betriebsstätten soll künftig das Softwarepaket „Office 365“ von Microsoft zum Einsatz kommen. Dies umfasst nicht nur die bekannten Büroanwendungen wie Textverarbeitung und Tabellenkalkulation. Zu dem Paket gehören zahlreiche weitere Anwendungen, darunter Videokommunikation, Kalender und To-do-Listen. 

Dabei plant das Unternehmen eine sogenannte „1-Tenant-Lösung“. Das bedeutet, dass alle Anwendungen in allen Betrieben von nur einer zentralen Administration gesteuert werden. Die bei der Nutzung der Software erstellten und erhobenen Daten werden in einer einheitlichen Cloud gespeichert. 

Nach dem Erfurter Urteil handelt es sich insgesamt um eine „Technische Überwachungseinrichtung“. Die Einführung und Anwendung des Softwarepakets unterliegen daher der Mitbestimmung. 

„Die im Zusammenhang mit einer Verwendung der Desktop-Anwendungen Office 365 ProPlus und den einzelnen Diensten erstellten, anfallenden oder erhobenen Daten können für eine Leistungs- oder Verhaltenskontrolle der Arbeitnehmer genutzt werden“, heißt es zur Begründung in dem Erfurter Beschluss. 

Im entschiedenen Fall hatte der Gesamtbetriebsrat keine Bedenken gegen das Softwarepaket. Der örtliche Betriebsrat des Verteilzentrums wollte aber ebenfalls mitreden. 

Das BAG verwies nun darauf, dass hier eine zentrale Softwareadministration und eine für alle Betriebe gemeinsame Speicherung der Daten geplant ist. Daher sei der Gesamtbetriebsrat zuständig. 

Dass die Software bei einzelnen Anwendungen auch betriebsspezifische Lösungen möglich macht, sei unerheblich. Denn das Gesetz schließe eine gleichzeitige Zuständigkeit der örtlichen Betriebsräte und des Gesamtbetriebsrats aus, so das BAG in seinem jetzt schriftlich veröffentlichten Beschluss vom 8. März 2022. 

Quelle: © www.juragentur.de - Rechtsnews für Ihre Anwaltshomepage

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Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock

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