Erfurt. Sozialprogramme, die aufgrund von Betriebsschließungen erstellt wurden, dürfen ältere Mitarbeiter, die lange im Unternehmen beschäftigt sind, in Bezug auf gezahlte Abfindungen benachteiligen und die auch die Höhe der Zahlungen begrenzen. Wie das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einem Urteil vom Donnerstag, 12. Mai 2022, entschieden hat, ist eine Deckelung von hohen Abfindungen gerechtfertigt, wenn dadurch eine bessere Verteilung knapper finanzieller Mittel ermöglicht wird (Az.: 1 AZR 252/21). Von den Richtern in Erfurt wurde damit ihre bisherige Rechtsprechung bekräftigt.
Im streitigen Fall ging es um die Höhe einer Abfindung aus einem Sozialplan eines in der Zwischenzeit stillgelegten Unternehmens in Hessen. Um die Folgen der Arbeitslosigkeit der Mitarbeiter abzumildern, wurde mit Hilfe einer Einigungsstelle Sozialplanabfindungen vereinbart. Die Höhe der Abfindung bemisst sich nach dem Bruttomonatsgehalt und der Dauer der Zugehörigkeit zum Betrieb. Die Grundabfindung war jedoch auf maximal 230.000 Euro begrenzt.
Der Mitarbeiter, der hier Klage einlegte, war 1972 geboren und argumentierte, die Begrenzung sei eine nicht erlaubte Altersdiskriminierung. Er hatte eine Sozialplanabfindung in Höhe von 238.000 Euro bekommen. Darin enthalten waren die Grundabfindung plus Zuschläge für zwei Kinder und Mittel aus dem Härtefonds. Ohne die Obergrenze stünden ihm nach 24 Jahren der Betriebszugehörigkeit und einem Bruttomonatslohn von am Schluss 7.795 Euro weitere 52.741 Euro Abfindung zu.
Das BAG hat die Klage jedoch mit Urteil vom 8. Februar 2022 abgewiesen. In der Tat könne eine Deckelung von Abfindungen ältere Arbeitnehmer aufgrund ihres Alters indirekt benachteiligen. Vor allem ältere Menschen seien nach längerer Betriebszugehörigkeit eher von der Begrenzung der Abfindungen betroffen. Dies sei jedoch „durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt“. Das BAG befand, dass die Deckelung zur Erreichung dieses Zieles „geeignet, erforderlich und angemessen“ sei.
Auch jüngere Mitarbeiter müssten aufgrund begrenzter Mittel eine angemessene Abfindung erhalten. Die Deckelung diene der Verteilungsgerechtigkeit. Möglichst alle Beschäftigten sollen laut BAG durch die Sozialplanabfindung in der pauschalierten Form für den Verlust ihres Arbeitsplatzes eine „verteilungsgerechte Überbrückungsbeihilfe“ bekommen.
Nicht ersichtlich sei auch, dass eine Grundabfindung von 230.000 Euro dem nicht gerecht werde. Das Argument des Klägers, dass ältere Arbeitnehmer mit der Abfindung den Zeitraum bis zum Eintritt in die Rente nicht überbrücken könnten, greife hier nicht durch. Denn die Betriebsparteien seien nicht dazu verpflichtet, die mit der Betriebsänderung verbundenen Nachteile komplett auszugleichen. Die aufgrund des Sozialplans hier angerufene Einigungsstelle habe davon ausgehen dürfen, dass Beschäftigte mit höherem Einkommen "mehr Möglichkeiten zur Eigenvorsorge" haben.
Das BAG hat am 7. Dezember 2021 ebenfalls eine Deckelung von Abfindungen aus einem Sozialplan gebilligt und dies mit der Verteilungsgerechtigkeit begründet (Az. 1 AZR 562/20). Aufgrund der begrenzten Mittel bei Sozialplänen müssten sonst jüngere Mitarbeiter und Beschäftigte, die kurz vor der Rente stehen und noch nicht so lange im Unternehmen sind, ohne Deckelung deutlich niedrigere Abfindungen erhalten.
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