Verwaltungsrecht

Zur Durchsetzung von einrichtungsbezogener Impfpflicht kein Zwangsgeld

Zuletzt bearbeitet am: 23.12.2022

Lüneburg. Von den kommunalen Gesundheitsbehörden kann die einrichtungsbezogene Impfpflicht nicht mit der Androhung eines Zwangsgeldes durchgesetzt werden. Das hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in Lüneburg am Mittwoch, den 22.06.2022 festgestellt (Az.: 14 ME 258/22). Eine tatsächliche Impfpflicht bestehe laut Gesetz nicht, von den Behörden könne lediglich ein Tätigkeitsverbot ausgesprochen werden.

Die Antragstellerin arbeitet in einem Seniorenhaus im Landkreis Diepholz bei Hannover. Ihr Arbeitgeber hat dem Kreisgesundheitsamt mitgeteilt, dass die Frau keine Nachweise über Covid-19-Impfungen, Genesungsstatus oder Unverträglichkeit gegenüber Impfungen, wie im einrichtungsbezogenen Pflichtimpfverfahren vorgeschrieben, vorgelegt hat. Der Landkreis ordnete daraufhin an, dass sie innerhalb von 14 Tagen den Nachweis ihrer ersten Corona-Impfung beim Gesundheitsamt vorlegen muss, gefolgt von einer zweiten, 42 Tage später. Andernfalls drohe ihr ein Zwangsgeld.

Das Verwaltungsgericht Hannover hatte bereits im Eilverfahren entschieden, dass die Androhung eines Zwangsgeldes unwirksam ist (Beschluss vom 11. Mai 2022, Az.: 15 B 1609/22). Diese Androhung sei auch nicht von den Bestimmungen des Infektionsschutzgesetzes zu einrichtungsbezogenen Impfpflichten gedeckt. Der Gesetzgeber habe hier an der Freiwilligkeit der Impfentscheidung festgehalten.

Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg ist dem nun auch gefolgt. Jedenfalls bot das Infektionsschutzgesetz nach einer vorläufigen Prüfung im Eilverfahren keine Rechtsgrundlage für die zwangsweise Durchsetzung einer Impfpflicht.

Die Bezeichnung „einrichtungsbezogene Impfpflicht“ sei ohnehin verkürzt. Laut Gesetz bestehe eine Impfpflicht nicht. „Faktisch stellt die Regelung die Betroffenen vielmehr lediglich vor die Wahl, entweder ihre bisherige Tätigkeit aufzugeben oder aber in die Beeinträchtigung ihrer körperlichen Integrität durch die Impfung einzuwilligen.“

Wird kein Nachweis erbracht, gebe das Gesetz dem Gesundheitsamt daher die Möglichkeit, ein sofort vollziehbares Betretens- oder Tätigkeitsverbot auszusprechen. Das passe zum Ziel der Regelung, besonders gefährdete Bevölkerungsgruppen vor einer Corona-Infektion zu schützen.

Neben dem Verwaltungsgericht Hannover hat auch das Verwaltungsgericht Schleswig in erster Instanz einen entsprechenden Beschluss erlassen (Eilbeschluss vom 13. Juni 2022, Aktenzeichen 1 B 28/22).

Quelle: © Fachanwalt.de

Symbolgrafik: © weyo - stock.adobe.com

Diesen Artikel bewerten
Über den Autor





Weitere Artikel der Redaktion zum Thema
Verwaltungsrecht Zweite Chance für Bafög-Empfänger

Leipzig (jur). Wenn Bafög-Empfänger erstmals ein Semester wiederholen müssen, können sie trotzdem weiter die Ausbildungsförderung bekommen. Dabei kommt es nicht darauf an, wie viele Leistungsnachweise fehlen, urteilte am Freitag, 3. März 2023, das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig (Az.: 5 C 6.2).  Es gab damit einer Pharmaziestudentin aus Thüringen recht. Nach ihrer Studienordnung sollte sie bis Ende des vierten Semesters zahlreiche Studienleistungen erbringen und mit „Scheinen“ nachweisen. Weil zwei Scheine fehlten, lehnte das Studierendenwerk Thüringen die Weiterförderung im fünften und sechsten Semester ab.  Während das Verwaltungsgericht ... weiter lesen

Verwaltungsrecht Stadt muss gegen zugeparkte Gehwege vorgehen

Bremen (jur). Gehwege sind für die Fußgänger da. Werden sie regelmäßig so zugeparkt, dass ihre Funktion beeinträchtigt wird, muss die örtliche Verkehrsbehörde auf Antrag der Anwohner dagegen vorgehen, wie das Oberverwaltungsgericht (OVG) Bremen in einem am Freitag, 3. März 2023, veröffentlichten Urteil entschied (Az.: 1 LC 64/22). Weil das verkehrswidrige Parken allerdings seit Jahrzehnten geduldet wurde, muss die Stadt aber nicht gleich die Abschleppwagen rufen. Nach dem Urteil reicht es vielmehr aus, wenn die Stadt ein Konzept vorlegt und danach auch streng verfolgt, wie den Belangen der Fußgänger besser Rechnung getragen werden kann.  Geklagt hatten ... weiter lesen

Verwaltungsrecht Denkmalschutz auch ohne Gebäude

Schleswig (jur). Für den Denkmalschutz braucht es nicht immer ein oberirdisch sichtbares Bauwerk. Ein früherer Graben mit Wall kann als „archäologisches Denkmal“ auch dann geschützt sein, wenn die Anlage heute teils kaum noch erkennbar ist, wie das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht in Schleswig in einem am Mittwoch, 1. März 2023, bekanntgegebenen Urteil vom Vortag entschied (Az.: 8 A 111/19). Es bestätigte damit ein denkmalrechtliches Verbot von Kiesabbau in der Nähe des Kograbens, der zur UNESCO-Welterbestätte Haithabu und Danewerk gehört.  Das Welterbe umfasst mehrere dänische Befestigungsanlagen aus der Wikingerzeit, die Dänemark nach Süden hin ... weiter lesen

Verwaltungsrecht Beim VW-Diesel-Software-Update liegt unzulässige Abschalteinrichtung vor

Schleswig. Auch nach dem Software-Update durfte das Kraftfahrt-Bundesamt die Freigabe für verschiedene VW-Modelle mit dem abgasmanipulierten Dieselmotor EA 189 nicht erteilen. Bei dem zusammen mit dem Update aufgespielten Thermofenster handelt es sich um eine „unzulässige Abschalteinrichtung“, wie das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht Schleswig in einem am 21. Februar 2023 bekanntgegebenen -noch nicht rechtskräftigen- Urteil entschieden hat (Az.: 3 A 113/ 18). Der Klage der Deutschen Umwelthilfe (DUH) gegen das Kraftfahrt-Bundesamt wurde damit weitgehend stattgegeben. Die installierte Software regelt die Abgasrückführung in den Verbrenner und verbessert so ... weiter lesen

Ihre Spezialisten