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Corona-Kontaktdaten: Darf die Polizei im Zuge von Ermittlungen auf Gästelisten zurückgreifen?

Zuletzt bearbeitet am: 24.01.2024

Wer etwa ein Restaurant aufsuchen oder bestimmte Veranstaltungen besuchen möchte, muss seine Kontaktdaten hinterlassen. Unter Umständen darf hier auch die Polizei Zugriff nehmen.

 

Das Hinterlassen der personenbezogenen Kontaktdaten z.B. in einem Restaurant erfolgt auf Grundlage der Coronaschutz-Verordnung des jeweiligen Bundeslandes. Hierdurch soll erreicht werden, dass die Betroffenen im Falle einer Pandemie ermittelt und benachrichtigt werden können und zudem ihre Daten dem örtlichen Gesundheitsamt übermittelt werden. Dieses kann dann prüfen, inwieweit er auf Corona getestet sowie sich in Quarantäne begeben muss. Hierauf wird der Betroffene auch hingewiesen. Welche Daten hierbei erfasst werden, ist in jedem Bundesland unterschiedlich. Die Gäste werden hierbei auch darüber informiert, dass die Kontaktdaten zwecks Rückverfolgung bei einer Pandemie erhoben werden.

 

In letzter Zeit sind jedoch mehrfach Fälle bekannt geworden, in denen die Polizei im Zusammenhang mit Ermittlungen bezüglich begangener Straftaten etwa vom Gastwirt bzw. Veranstalter die Herausgabe der Corona-Kontaktdaten verlangt haben. Hier stellt sich die Frage, ob er dem nachkommen muss oder gegenüber den Polizisten die Herausgabe verweigern darf. 

 

Eine Pflicht z.B. des Gastwirtes zur Herausgabe der Corona-Kontaktdaten könnte sich aus § 23 Abs. 1 Ziffer 4 BDSG ergeben. Hiernach ist die Verarbeitung personenbezogener Daten zu einem anderen Zweck als zu demjenigen, zu dem die Daten erhoben wurden, durch öffentliche Stellen im Rahmen ihrer Aufgabenerfüllung zulässig, wenn sie zur Verfolgung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten erforderlich ist. Hier stellt sich allerdings zunächst die Frage, was in diesem Zusammenhang Erforderlichkeit bedeutet. Das ist durch die Rechtsprechung noch nicht geklärt. Fest steht nur, dass es hierzu eines triftigen Grundes bedarf. 

 

Beschlagnahme der Corona-Kontaktdaten erlaubt?

Dieser liegt jedenfalls dann vor, wenn die Polizei die Kontaktliste gem. § 94 StPO beschlagnahmen darf, um eine Straftat aufzuklären, wozu sie nach § 160 StPO verpflichtet ist. Eine Beschlagnahme muss nach § 98 StPO normalerweise von einem Gericht angeordnet werden, Soweit Gefahr im Verzug ist, darf die Anordnung der Beschlagnahme durch die Staatsanwaltschaft oder deren Ermittlungspersonen erfolgen. Als Ermittlungspersonen sind Polizisten anzusehen in ihrer Funktion als Hilfsbeamte der Staatsanwaltschaft. 

 

Eine Beschlagnahme der Corona-Kontaktdaten darf nach § 94 StPO dann erfolgen, wenn sie als Beweismittel für die Untersuchung von Bedeutung sein können. Die damit verbundene Beweisbedeutung setzt vor allem voraus, dass es um die Aufklärung einer Straftat geht. Diesbezüglich muss ein Anfangsverdacht einer Straftat bestehen. Darüber hinaus darf kein Beweisverbot nach § 97 StPO greifen. Ein solches Beweisverbot gibt es bei Corona-Kontaktdaten bislang nicht. Eine Beschlagnahme ist weder in § 94 StPO, noch in § 97 StPO auf schwere Straftaten beschränkt wie etwa Mord oder Vergewaltigung. Eine solche Beschränkung gilt nur bei der Telefonüberwachung nach § 100a StPO. Zu der Frage, wann eine Beschlagnahme der Corona-Kontaktdaten durch die Polizei erfolgen darf, gibt es bisher keine einschlägigen Entscheidungen.

 

Fazit: 

Gastwirte etc. sollten darauf bestehen, dass etwa die Polizei die Beschlagnahme anordnet. In diesem Fall können Sie nachträglich durch das örtliche Amtsgericht überprüfen lassen, ob die Polizei auf die Corona-Kontaktdaten der Gäste zurückgreifen durfte. Auf der anderen Seite sollten sie sich nicht körperlich gegen die Beschlagnahme zur Wehr setzen. Ansonsten darf die Polizei unmittelbaren Zwang einsetzen. Darüber hinaus können sie sich auch strafbar machen wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte nach § 113 StGB. 

 

Eine größere Gefahr des Missbrauchs von Corona-Kontaktdaten besteht übrigens dann, wenn etwa Gastwirte für jeden einsehbare offene Gästeliste auslegen. Hier besteht das Risiko, dass andere Gäste die Listen mit ihrem Smartphone heimlich fotografieren und für illegale Zwecke missbrauchen. Hiergegen hilft nur ein persönliches Gespräch oder dass ein Gast, der Bedenken hat, sich bei der Datenschutz-Aufsichtsbehörde des jeweiligen Bundeslandes beschwert. Darüber hinaus können sich Gäste vorab etwa beim örtlichen Gesundheitsamt bzw. der Corona-Hotline ihres Bundeslandes darüber informieren, welche Kontaktdaten sie überhaupt angeben müssen.

 

 

 

Autor: Harald Büring, Ass. jur. (Fachanwalt.de-Redaktion)

Foto: © MH - Fotolia.com

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