Gekündigte Arbeitnehmer haben unter Umständen einen Anspruch auf Prozesskostenhilfe. Näheres erfahren Sie in diesem Beitrag.
Damit sich Arbeitnehmer gegen eine rechtswidrige Kündigung vor Gericht zur Wehr setzen können, hat der Gesetzgeber die Prozesskostenhilfe eingeführt. Das hängt damit zusammen, dass auch bei Kündigungsschutzklagen ein erhebliches Kostenrisiko besteht. Denn hierbei fallen neben den Gerichtskosten auch Kosten für einen Rechtsanwalt an, soweit sich die Parteien durch sie vertreten lassen. Beides richtet sich nach der Höhe des Streitwertes.
Normalerweise muss die Partei, die vor Gericht verliert, gem. § 91 ZPO für die gesamten Kosten des Rechtsstreits, auch der des Prozessgegners aufkommen, Anders ist das lediglich beim Arbeitsgericht in erster Instanz der Arbeitsgerichtsbarkeit. Hier muss jede Partei unabhängig vom Ausgang des Verfahrens für die Kosten ihres eigenen Rechtsanwaltes aufkommen. Das ergibt sich daraus, dass gem. § 12a Abs. 1 Satz 1 ArbGG keine Partei hinsichtlich der Anwaltskosten einen Anspruch auf Erstattung hat. Das bedeutet, dass der Arbeitnehmer bei einer Kündigungsschutzklage auch dann nicht für die Kosten des Rechtsanwaltes des Arbeitgebers in erster Instanz aufkommen muss, wenn er vor Gericht verliert. Auf der anderen Seite muss er seinen Anwalt in erster Instanz auch dann bezahlen, wenn er dort gewinnt.
Um diese Risiken abzufedern, gibt es die Prozesskostenhilfe. Diese kommt für die eigenen Gerichtskosten und Anwaltskosten für den Rechtsanwalt des Arbeitnehmers auf. Wenn der Arbeitnehmer allerdings den Prozess verliert, kommt die Prozesskostenrisiko nicht für die Kosten des Arbeitgebers in zweiter oder dritter Instanz auf. Insofern trägt der Arbeitnehmer hierfür das Risiko.
Wann der Arbeitnehmer bei einer Kündigungsschutzklage Prozesskostenhilfe erhält, richtet sich nach § 114 ZPO.
Hinreichende Erfolgsaussichten
Zunächst einmal müssen hinreichende Erfolgsaussichten hinsichtlich der Kündigungsschutzklage bestehen. Das bedeutet: Es muss sich aus einer Prognose ergeben, dass eine Klage nicht völlig aussichtslos ist. Was das bedeutet, wird an den folgenden Beispielen näher deutlich.
In einem Fall ging es um eine Verkäuferin, die in einem Kaufhaus an der Fleischtheke beschäftigt war. Nachdem sie zwei Haarspangen im Wert von 1,99 Euro entwendet hatte, um damit ihren am Arbeitsplatz vorgeschrieben Kopfschutz zu befestigen, kündigte der Arbeitgeber ihr fristlos. Die Arbeitnehmerin reichte hiergegen Kündigungsschutzklage ein und beantragte beim Arbeitsgericht Köln Prozesskostenhilfe. Gegen die Ablehnung der Prozesskostenhilfe legte sie sofortige Beschwerde ein.
Hiermit hatte die Arbeitnehmerin Erfolg. Das Landesarbeitsgericht Köln entschied mit Beschluss vom 16.12.2008 - 9 Ta 474/08, dass ihr Prozesskostenhilfe zusteht, weil eine Kündigungsschutzklage hinreichende Aussicht auf Erfolg hat. Dies begründeten die Richter damit, dass Arbeitgeber bei einem Diebstahl am Arbeitsplatz zwar normalerweise ohne vorhergehende Abmahnung fristlos kündigen dürfen. Denn hierin liegt ein wichtiger Grund im Sinne von § 626 BGB. Etwas anders ergibt sich hier jedoch aus der Besonderheit, dass es sich bei den beiden Haarspangen um eine Sache von sehr niedrigem Wert gehandelt und der Arbeitnehmer aus dienstlichen Gründen auf die Benutzung angewiesen war.
Anders sieht jedoch die Situation aus, wenn die Klage gegen die Kündigung aus formellen Gründen zum Scheitern verurteilt ist. So war es etwa in einem Fall, in dem ein Arbeitgeber einen Arbeitnehmer wegen seines Verhaltens am Arbeitsplatz gekündigt hatte. Er war damit nicht einverstanden und wollte sich wehren. Nachdem er die Klage erst nach Ablauf der dreiwöchigen Klagefrist beim Arbeitsgericht eingelegt hatte, begehrte er Prozesskostenhilfe. Dabei argumentierte er damit, dass ihm diese Frist nicht bekannt gewesen sei. Die Arbeitsagentur habe ihm nicht mitgeteilt, dass es eine solche gibt.
Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz entschied mit Beschluss vom 10.12.2012 - 6 Ta 68/12, dass ihm wegen dem Fristversäumnis keine Prozesskostenhilfe zusteht. Denn aufgrund dessen ist es sehr unwahrscheinlich, dass er den Prozess überhaupt gewinnen kann. Denn aus § 4 KSchG ergibt sich, dass normalerweise er bei einer Kündigungsschutzklage die Klagefrist von drei Wochen nach Zustellung der schriftlichen Kündigung einhalten muss. Etwas anders gilt, wenn ein Arbeitnehmer nach erfolgter Kündigung trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert gewesen ist, die Klage rechtzeitig einzureichen. Hierzu reicht es nicht, dass ihm diese Frist unbekannt gewesen ist. Jeder Arbeitnehmer muss nach einer Kündigung sich umgehend damit beschäftigen, inwieweit er gegen diese rechtlich vorgehen kann. Hier war nicht ersichtlich, dass er von sich aus bei der Arbeitsagentur oder einer Kanzlei nachfragen muss, was er hier beachten muss. Er muss normalerweise private Belange zurückstellen, damit er sich rechtzeitig durch einen Anwalt beraten lassen kann. Dem standen keine unüberwindbaren Hindernisse entgegen.
In einem ähnlichen Sachverhalt hatte ebenfalls ein langjähriger Arbeitnehmer die Kündigungsfrist von drei Wochen versäumt. Gleichwohl begehrte er Prozesskostenhilfe. Er argumentierte damit, dass er angenommen habe, dass die Klagefrist erst nach Ablauf der Kündigungsfrist zu laufen beginnt. Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein entschied gleichwohl mit Beschluss vom 28.04.2005 - 2 Ta 105/05, dass ihm wegen mangelnder Erfolgsaussichten keine Prozesskostenhilfe zusteht. Das Gericht begründete dies damit, dass einem Arbeitnehmer bekannt sein muss, dass die Klagefrist mit Zustellung der Kündigung beginnt. Dies ergibt sich aus dem klaren Wortlaut des Gesetzes. Zumindest muss er sich rechtzeitig danach erkundigen.
Bedürftigkeit des Arbeitnehmers
Darüber hinaus muss der Arbeitnehmer auch als bedürftig im Sinne von § 114 Abs. 1 ZPO anzusehen sein. Dies setzt voraus, dass er nicht über die notwendigen finanziellen Mittel verfügt, um für die Kosten aufzukommen. Hierfür maßgeblich sind seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse. Um dies festzustellen, muss zunächst das Nettoeinkommen ermittelt werden. Zu diesem gehören neben dem Einkommen als Arbeitnehmer, einer selbstständigen Tätigkeit, auch Wohngeld und andere Sozialleistungen. Davon müssen Sie laufende monatliche Kosten wie die Miete abziehen. Allerdings muss der Arbeitnehmer erst einmal auf Geldvermögen von über 2.000 Euro zurückgreifen.
Normalerweise kann gesagt werden: Wer Sozialleistungen bezieht, der gilt auch als finanziell bedürftig.
Näheres können Sie beispielsweise diesem Onlineformular der Justizministeriums NRW entnehmen https://www.justiz.nrw.de/BS/formulare/prozesskostenhilfe/erkl_zp1a.pdf und einem weiteren Beitrag im Juraforum https://www.juraforum.de/lexikon/prozesskostenhilfe.
Kein anderweitiger Schutz
Wichtig ist, dass Prozesskostenhilfe normalerweise nicht bewilligt wird, wenn der Arbeitnehmer auf eine Rechtsschutzversicherung zurückgreifen kann. Dies gilt allerdings nur dann, wenn er dieses Risiko auch versichert hat.
Keine Mutwilligkeit
Schließlich darf der Antragsteller nicht mutwillig handeln. Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung gem. § 114 Abs. 2 ZPO, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht. Das bedeutet: Es muss aus wirtschaftlicher Sicht vollkommen unsinnig sein, einen Prozess zu führen. Da so etwas kaum gesagt werden kann, hat dieses Kriterium in der Praxis kaum eine Bedeutung.
Fazit:
Arbeitnehmer können den Antrag auf Prozesskostenhilfe auch über ihren Rechtsanwalt einreichen lassen. Noch besser ist es, wenn jemand über eine Rechtsschutzversicherung verfügt mit der Komponente Arbeitsrechtsschutz oder Mitglied einer Gewerkschaft ist. Dadurch sind in der Regel gerichtliche und außergerichtliche Kosten abgedeckt. Allerdings sollte beim Abschluss einer Rechtsschutzversicherung genau auf das Kleingedruckte geachtet werden (gerade auch im Hinblick auf Ausschlussklauseln). Wichtig ist, dass sich Arbeitnehmer direkt nach Erhalt ihrer Kündigung z.B. an einen Anwalt wenden. Dies kommt dadurch, dass eine Kündigungsschutzklage normalerweise bereits nach drei Wochen bei Gericht eingegangen sein muss.
Autor: Harald Büring, Ass. jur. (Fachanwalt.de-Redaktion)
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