Strafrecht

Schweigepflicht: Rechte und Pflichten im Überblick

01.02.2022
 (2)
Zuletzt bearbeitet am: 19.07.2024

Was für Schweigepflichten es gibt und inwieweit ein Bruch gerechtfertigt sein kann, erfahren Sie in diesem Ratgeber.

Bei der Schweigepflicht geht es darum, dass einige Berufsgruppen die ihnen anvertrauen Geheimnisse nicht weitergeben dürfen. Dadurch soll erreicht werden, dass die Betroffenen auch Vertrauen haben dürfen. Dabei ist zwischen der berufsständischen Schweigepflicht und der gesetzlichen Schweigepflicht zu unterscheiden. 

Berufsständische Schweigepflicht

Die berufsständische Schweigepflicht in Form der Verschwiegenheitspflicht gibt es beispielsweise bei Ärzten, Tierärzten, Zahnärzten, Apothekern und Angehörigen anderer Heilberufe. Die Schweigepflicht für Ärzte ergibt sich aus § 9 der (Muster-)Berufsordnung. 

Die Schweigepflicht für Rechtsanwälte ergibt sich aus §§ 43a Abs. 2 und 43e Bundesrechtsanwaltsordnung und § 2 der Berufsordnung der Rechtsanwälte. Auch Steuerberater haben eine Schweigepflicht, die sich aus § 57 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) ergibt. Hiernach haben Steuerberater und Steuerbevollmächtigte ihren Beruf unabhängig, eigenverantwortlich, gewissenhaft, verschwiegen und unter Verzicht auf berufswidrige Werbung auszuüben.

Darüber hinaus haben Ehe-, Familien-, Erziehungs- oder Jugendberater sowie Berater für Suchtfragen in einer staatlich anerkannten Beratungsstelle eine Schweigepflicht. Des Weiteren unterliegen Ehe-, Familien-, Erziehungs- oder Jugendberater sowie Berater für Suchtfragen in einer staatlich anerkannten Beratungsstelle einer Verschwiegenheitspflicht. Eine solche Pflicht trifft auch Notare und Wirtschaftsprüfer sowie Steuerberater. 

Wichtig ist, dass Arbeitnehmer ebenfalls eine Schweigepflicht haben können als Nebenpflicht aus dem Arbeitsvertrag. Dies ist zu bejahen, wenn der Arbeitgeber hieran ein berechtigtes wirtschaftliches Interesse hat. 

Gesetzliche Schweigepflicht

Darüber hinaus gibt es noch die gesetzliche Schweigepflicht. Diese ist in § 203 StGB geregelt und umfasst alle dort in § 203 Abs. 1 StGB und § 203 Abs. 2 StGB aufgeführten Berufsgruppen. Hierzu gehören:

  • Arzt, Zahnarzt, Tierarzt, Apotheker oder Angehörige eines anderen Heilberufs, der für die Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung erfordert,
  • Berufspsychologen mit staatlich anerkannter wissenschaftlicher Abschlussprüfung,
  • Rechtsanwalt, Kammerrechtsbeistand, Patentanwalt, Notar, Verteidiger in einem gesetzlich geordneten Verfahren, Wirtschaftsprüfer, vereidigtem Buchprüfer, Steuerberater, Steuerbevollmächtigten oder Organ oder Mitglied eines Organs einer Rechtsanwalts-, Patentanwalts-, Wirtschaftsprüfungs-, Buchprüfungs- oder Steuerberatungsgesellschaft,
  • Ehe-, Familien-, Erziehungs- oder Jugendberater sowie Berater für Suchtfragen in einer Beratungsstelle, die von einer Behörde oder Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts anerkannt ist,
  • Mitglied oder Beauftragten einer anerkannten Beratungsstelle nach den §§ 3 und 8 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes,
  • staatlich anerkannte Sozialarbeiter oder staatlich anerkannte Sozialpädagogen oder
  • Angehörige eines Unternehmens der privaten Kranken-, Unfall- oder Lebensversicherung oder einer privatärztlichen, steuerberaterlichen oder anwaltlichen Verrechnungsstelle.

Die Schweigepflicht nach dieser Vorschrift erstreckt sich auch auf die Gehilfen der aufgeführten Berufsgruppen. Dies ergibt sich aus § 203 Abs. 4 StGB. 

Bruch der Schweigepflicht kann gerechtfertigt sein

Unter Umständen ist jedoch möglich, dass der Bruch der Schweigepflicht gerechtfertigt erscheint. Das ist sowohl im Hinblick auf die berufsständische Schweigepflicht, als auch die gesetzliche Schweigepflicht gem. § 203 StGB von Bedeutung. Das kommt einmal daran in Betracht, wenn der jeweilige Vertreter einer Berufsgruppe vom Betroffenen ausdrücklich durch eine Erklärung von der Schweigepflicht entbunden worden ist. Hier ist allerdings zu prüfen, ob dies wirklich freiwillig geschehen ist und nicht etwa durch Täuschung oder Drohung. Eine solche Erklärung sollte immer schriftlich erfolgen, um sie beweisen zu können und den genauen Wortlaut zu kennen. 

Schließlich ist der Bruch der Schweigepflicht dann gerechtfertigt, wenn sich der Geheimnisträger auf rechtfertigenden Notstand gem. § 34 StGB berufen kann. Dies setzt zunächst voraus, dass eine nicht anders abwehrbare Gefahr für ein bestimmtes Rechtsgut besteht. Darüber hinaus muss dieses Rechtsgut als schützenswerter anzusehen sein. Schließlich muss die Preisgabe des Geheimnisses dann auch als angemessen anzusehen sein. Hiervon war das Oberlandesgericht Frankfurt am Main in einem Fall ausgegangen, in dem eine Patientin ihren Lebenspartner nicht sagen wollte, dass sie an AIDS erkrankt war. Ihr Hausarzt wollte darüber ihren Lebenspartner informieren. Doch die Patientin untersagte ihm dies. Der Arzt setzte sich gleichwohl mit ihm in Verbindung. Als die Patientin dies erfuhr, verklagte sie ihn auf Schadensersatz. Damit hatte sie jedoch keinen Erfolg. Die Richter sahen das Informieren des Lebenspartners durch den Arzt gem. § 34 StGB als gerechtfertigt an. Denn der Lebensgefährte wäre dadurch beim Geschlechtsverkehr an Leib und Leben gefährdet worden. Durch sein Verschweigen hat sich die Patientin unverantwortlich verhalten (OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 05.10.1999, Az. 8 U 67/99). Ebenso kommt dies in Betracht, wenn einem Arzt bei einer Untersuchung auffällt, dass ein Kind körperlich misshandelt worden ist und zu befürchten ist, dass durch Misshandlungen der Eltern das Kindeswohl gefährdet wird (Kargl in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, Strafgesetzbuch 5. Auflage 2017 zu § 34 StGB Rdn. 64).

Pflicht zur Offenbarung trotz Schweigepflicht

Der Geheimnisträger kann sogar verpflichtet sein, seine Schweigepflicht zu brechen. Dies kommt dann in Betracht, wenn er gem. § 138 StGB erfährt, dass eine schwere Straftat geplant wird. Diese muss im Katalog des § 138 Abs. 1 StGB enthalten sein. Ein solcher Fall liegt z.B. dann vor, wenn ein Sozialarbeiter erfährt, dass ein Mord begangen werden soll. Wer hiergegen verstößt, macht sich ebenfalls strafbar.

Fazit:

Wer in einer Grenzsituation unsicher ist, ob er einer Schweigepflicht unterliegt, sollte sich beraten lassen.

 

Autor: Harald Büring, Ass. jur. (Fachanwalt.de-Redaktion)

Foto: © Eigens - stock.adobe.com

Diesen Artikel bewerten
Über den Autor





Weitere Artikel der Redaktion zum Thema
Strafrecht BGH bestätigt Urteil gegen Göttinger Hochschullehrer

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Beschluss vom 05.09.2024 (Az. 6 StR 263/24 ) das Urteil des Landgerichts Göttingen vom 22.02.2024, Az. 2 KLs 45 Js 17173/18 (15/23), gegen einen Hochschullehrer wegen gefährlicher Körperverletzung im Amt bestätigt. Das Verfahren ist damit rechtskräftig. Sachverhalt Im Jahr 2022 verurteilte das Landgericht Göttingen einen Hochschullehrer wegen gefährlicher Körperverletzung im Amt, Nötigung und Freiheitsberaubung. Insgesamt wurde er in vier Fällen dieser Straftaten und in acht weiteren Fällen der Körperverletzung im Amt, teilweise in Tateinheit mit Nötigung und Freiheitsberaubung, für schuldig befunden. Zudem wurde er wegen ... weiter lesen

Strafrecht BayObLG-Beschluss: Klarstellungen zur Belehrungspflicht bei Verständigung im Strafverfahren

Am 11. September 2024 hat das Bayerische Oberste Landesgericht (BayObLG) mit einem richtungsweisenden Beschluss ( Az.: 206 StRR 286/24 ) die Revision eines Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 11. März 2024 abgewiesen. Der Beschluss bietet wichtige Klarstellungen zu den Anforderungen an die Belehrungspflicht und die Bindungswirkung von Verständigungen ("Deal") in Strafverfahren, die auch für künftige Verfahren von Bedeutung sind. Kernpunkte des Beschlusses zum Deal Verständigung nach § 257c StPO : Im erstinstanzlichen Verfahren hatte eine Verständigung (auch als "Deal" bekannt) zwischen den Verfahrensbeteiligten stattgefunden. Dabei wurde ... weiter lesen

Strafrecht BGH bestätigt Urteil: Jugendstrafen wegen Totschlags

BGH bestätigt Urteil des LG Detmold zu Totschlag ( BGH Beschluss vom 28.08.2024, Az. 4 StR 280/24 ). Der Bundesgerichtshof hat die Revision zweier Jugendlicher gegen das Urteil des Landgerichts Detmold vom 23.02.2024 (Az. 23 KLs-31 Js 1072/23-1/24) abgelehnt. Beide wurden wegen gemeinschaftlichen Totschlags verurteilt. Sachverhalt Im Oktober 2023 entschieden sich die beiden alkoholisierten Angeklagten im Alter von 14 und 15 Jahren, gemeinsam mit einem weiteren 15-jährigen Mitangeklagten, der das Urteil nicht anfocht, einen 47-jährigen Mann körperlich anzugreifen. Sie fühlten sich von ihm gestört und planten, den Angriff mit einem Handy zu filmen und die Aufnahmen ... weiter lesen

Strafrecht Golfball-Tauchen auf fremden Golfplätzen: Ein riskantes Vergnügen mit rechtlichen Folgen

Das Tauchen nach Golfbällen in den Gewässern eines fremden Golfplatzes mag auf den ersten Blick wie ein harmloser Spaß erscheinen. Doch wer sich ohne Erlaubnis der Betreiber in die Seen wagt, riskiert nicht nur seine Gesundheit, sondern auch ernste rechtliche Konsequenzen. Dieses Verhalten kann nach deutschem Recht als Hausfriedensbruch gemäß § 123 StGB und Diebstahl gemäß § 242 StGB geahndet werden. Abenteuer oder Straftat? Was beim Golfball-Tauchen rechtlich auf dem Spiel steht Golfplätze sind oft idyllisch gelegen und bieten mit ihren Seen eine willkommene Abkühlung an heißen Sommertagen. Doch die Versuchung, in die Wasserhindernisse abzutauchen und die ... weiter lesen

Ihre Spezialisten