Was für Schweigepflichten es gibt und inwieweit ein Bruch gerechtfertigt sein kann, erfahren Sie in diesem Ratgeber.
Bei der Schweigepflicht geht es darum, dass einige Berufsgruppen die ihnen anvertrauen Geheimnisse nicht weitergeben dürfen. Dadurch soll erreicht werden, dass die Betroffenen auch Vertrauen haben dürfen. Dabei ist zwischen der berufsständischen Schweigepflicht und der gesetzlichen Schweigepflicht zu unterscheiden.
Berufsständische Schweigepflicht
Die berufsständische Schweigepflicht in Form der Verschwiegenheitspflicht gibt es beispielsweise bei Ärzten, Tierärzten, Zahnärzten, Apothekern und Angehörigen anderer Heilberufe. Die Schweigepflicht für Ärzte ergibt sich aus § 9 der (Muster-)Berufsordnung.
Die Schweigepflicht für Rechtsanwälte ergibt sich aus §§ 43a Abs. 2 und 43e Bundesrechtsanwaltsordnung und § 2 der Berufsordnung der Rechtsanwälte. Auch Steuerberater haben eine Schweigepflicht, die sich aus § 57 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) ergibt. Hiernach haben Steuerberater und Steuerbevollmächtigte ihren Beruf unabhängig, eigenverantwortlich, gewissenhaft, verschwiegen und unter Verzicht auf berufswidrige Werbung auszuüben.
Darüber hinaus haben Ehe-, Familien-, Erziehungs- oder Jugendberater sowie Berater für Suchtfragen in einer staatlich anerkannten Beratungsstelle eine Schweigepflicht. Des Weiteren unterliegen Ehe-, Familien-, Erziehungs- oder Jugendberater sowie Berater für Suchtfragen in einer staatlich anerkannten Beratungsstelle einer Verschwiegenheitspflicht. Eine solche Pflicht trifft auch Notare und Wirtschaftsprüfer sowie Steuerberater.
Wichtig ist, dass Arbeitnehmer ebenfalls eine Schweigepflicht haben können als Nebenpflicht aus dem Arbeitsvertrag. Dies ist zu bejahen, wenn der Arbeitgeber hieran ein berechtigtes wirtschaftliches Interesse hat.
Gesetzliche Schweigepflicht
Darüber hinaus gibt es noch die gesetzliche Schweigepflicht. Diese ist in § 203 StGB geregelt und umfasst alle dort in § 203 Abs. 1 StGB und § 203 Abs. 2 StGB aufgeführten Berufsgruppen. Hierzu gehören:
- Arzt, Zahnarzt, Tierarzt, Apotheker oder Angehörige eines anderen Heilberufs, der für die Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung erfordert,
- Berufspsychologen mit staatlich anerkannter wissenschaftlicher Abschlussprüfung,
- Rechtsanwalt, Kammerrechtsbeistand, Patentanwalt, Notar, Verteidiger in einem gesetzlich geordneten Verfahren, Wirtschaftsprüfer, vereidigtem Buchprüfer, Steuerberater, Steuerbevollmächtigten oder Organ oder Mitglied eines Organs einer Rechtsanwalts-, Patentanwalts-, Wirtschaftsprüfungs-, Buchprüfungs- oder Steuerberatungsgesellschaft,
- Ehe-, Familien-, Erziehungs- oder Jugendberater sowie Berater für Suchtfragen in einer Beratungsstelle, die von einer Behörde oder Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts anerkannt ist,
- Mitglied oder Beauftragten einer anerkannten Beratungsstelle nach den §§ 3 und 8 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes,
- staatlich anerkannte Sozialarbeiter oder staatlich anerkannte Sozialpädagogen oder
- Angehörige eines Unternehmens der privaten Kranken-, Unfall- oder Lebensversicherung oder einer privatärztlichen, steuerberaterlichen oder anwaltlichen Verrechnungsstelle.
Die Schweigepflicht nach dieser Vorschrift erstreckt sich auch auf die Gehilfen der aufgeführten Berufsgruppen. Dies ergibt sich aus § 203 Abs. 4 StGB.
Bruch der Schweigepflicht kann gerechtfertigt sein
Unter Umständen ist jedoch möglich, dass der Bruch der Schweigepflicht gerechtfertigt erscheint. Das ist sowohl im Hinblick auf die berufsständische Schweigepflicht, als auch die gesetzliche Schweigepflicht gem. § 203 StGB von Bedeutung. Das kommt einmal daran in Betracht, wenn der jeweilige Vertreter einer Berufsgruppe vom Betroffenen ausdrücklich durch eine Erklärung von der Schweigepflicht entbunden worden ist. Hier ist allerdings zu prüfen, ob dies wirklich freiwillig geschehen ist und nicht etwa durch Täuschung oder Drohung. Eine solche Erklärung sollte immer schriftlich erfolgen, um sie beweisen zu können und den genauen Wortlaut zu kennen.
Schließlich ist der Bruch der Schweigepflicht dann gerechtfertigt, wenn sich der Geheimnisträger auf rechtfertigenden Notstand gem. § 34 StGB berufen kann. Dies setzt zunächst voraus, dass eine nicht anders abwehrbare Gefahr für ein bestimmtes Rechtsgut besteht. Darüber hinaus muss dieses Rechtsgut als schützenswerter anzusehen sein. Schließlich muss die Preisgabe des Geheimnisses dann auch als angemessen anzusehen sein. Hiervon war das Oberlandesgericht Frankfurt am Main in einem Fall ausgegangen, in dem eine Patientin ihren Lebenspartner nicht sagen wollte, dass sie an AIDS erkrankt war. Ihr Hausarzt wollte darüber ihren Lebenspartner informieren. Doch die Patientin untersagte ihm dies. Der Arzt setzte sich gleichwohl mit ihm in Verbindung. Als die Patientin dies erfuhr, verklagte sie ihn auf Schadensersatz. Damit hatte sie jedoch keinen Erfolg. Die Richter sahen das Informieren des Lebenspartners durch den Arzt gem. § 34 StGB als gerechtfertigt an. Denn der Lebensgefährte wäre dadurch beim Geschlechtsverkehr an Leib und Leben gefährdet worden. Durch sein Verschweigen hat sich die Patientin unverantwortlich verhalten (OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 05.10.1999, Az. 8 U 67/99). Ebenso kommt dies in Betracht, wenn einem Arzt bei einer Untersuchung auffällt, dass ein Kind körperlich misshandelt worden ist und zu befürchten ist, dass durch Misshandlungen der Eltern das Kindeswohl gefährdet wird (Kargl in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, Strafgesetzbuch 5. Auflage 2017 zu § 34 StGB Rdn. 64).
Pflicht zur Offenbarung trotz Schweigepflicht
Der Geheimnisträger kann sogar verpflichtet sein, seine Schweigepflicht zu brechen. Dies kommt dann in Betracht, wenn er gem. § 138 StGB erfährt, dass eine schwere Straftat geplant wird. Diese muss im Katalog des § 138 Abs. 1 StGB enthalten sein. Ein solcher Fall liegt z.B. dann vor, wenn ein Sozialarbeiter erfährt, dass ein Mord begangen werden soll. Wer hiergegen verstößt, macht sich ebenfalls strafbar.
Fazit:
Wer in einer Grenzsituation unsicher ist, ob er einer Schweigepflicht unterliegt, sollte sich beraten lassen.
Autor: Harald Büring, Ass. jur. (Fachanwalt.de-Redaktion)
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