Verkehrsrecht

Handy-Blitzer "MonoCam" in Rheinland-Pfalz gestartet – bald in ganz Deutschland?

01.07.2022
 (6)
Zuletzt bearbeitet am: 30.12.2022

Mainz/Trier. Die Jagd auf Handysünder ist eröffnet. Zumindest in Rheinland-Pfalz. Denn im südwestlichen Bundesland ist im Juni 2022 ein Pilotprojekt gestartet, um Ablenkungsverstöße durch die Nutzung von Handys am Steuer zu überwachen. Zum Einsatz kommt das sogenannte Monocam-System, das die Polizei in den Niederlanden mit der Universität Utrecht entwickelt hat. Das Überwachungssystem wird nun sechs Monate auf den Straßen von Rheinland-Pfalz getestet. Was die innovative Technik kann und ob diese bald bundesweit Verwendung findet, ist nachfolgend thematisiert.

Handy am Steuer – Sanktionen für Verkehrssünder

Ablenkungen durch Handys beziehungsweise elektronische Geräte sind eine der häufigsten Ursachen für Verkehrsunfälle. Im Ernstfall endet die Spielerei am Mobiltelefon tödlich. Autofahrer gefährden sich damit nicht nur selbst, sondern auch andere Verkehrsteilnehmer und stellen ein erhebliches Sicherheitsrisiko im Straßenverkehr dar. Obwohl Ablenkungen durch Handys als Unfallursache lange nicht erfasst wurden und in der offiziellen Unfallstatistik komplett fehlten, sieht der Gesetzgeber aufgrund der erheblichen Gefahr ein Verbot und strenge Sanktionen vor:

  • Die manuelle Nutzung von Handys am Steuer ist laut § 23 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) verboten.
  • Verkehrsteilnehmer, die mit ihrem Smartphone telefonieren, simsen oder gar surfen und dabei keine Freisprechanlage beziehungsweise Vorlesefunktion nutzen, begehen eine Ordnungswidrigkeit.
  • Ein Verstoß gegen das Verbot zieht laut Bußgeldrechner von Bussgeldkatalog.org eine Geldbuße in Höhe von 100 Euro und einen Punkt im Fahreignungsregister in Flensburg nach sich.
  • Kommt es durch die Handyablenkung zu einer Gefährdung, beträgt das Bußgeld 150 Euro, der Punktestand in Flensburg steigt um zwei Punkte und hinzu kommt ein Monat Fahrverbot.
  • Verursacht die verbotene Verwendung von Mobilgeräten am Steuer eine Sachbeschädigung beziehungsweise einen Unfall, werden Handysünder mit 200 Euro Bußgeld, zwei Punkten und einem Monat Fahrverbot bestraft.

Trotz der Strafen halten sich viele Verkehrsteilnehmer nicht an die Vorschriften und gefährden mit ihrem Fehlverhalten sich und andere. Ein Umdenken ist jedoch in Sicht: 2021 wurde das bundesweite Unfallursachenverzeichnis um die Unfallursache Ablenkung im Sinne § 23 Abs. 1a StVO ("Nutzung elektronischer Geräte") mit eigener Schlüsselnummer ergänzt. Ein intelligentes Überwachungssystem könnte schon bald die Kontrollfunktion übernehmen.

Innovatives Kamerasystem überführt Handysünder

Die „Monocam“ soll es den Ordnungshütern erleichtern, das Verhalten am Steuer zu überwachen und Verstöße zu ahnden. Wie die Polizei Rheinland-Pfalz unter polizei.rlp.de erklärt, basiert das Pilotprojekt auf einer Kooperation mit der niederländischen Polizei, welche das Monocam-System bereits nutzt. „Bisher kommt in keinem anderen Bundesland ein vergleichbares System zum Einsatz“, heißt es im polizeilichen Beitrag.

  • Mit Hilfe der modernen Kameras lassen sich Ablenkungsverstöße erstmals automatisiert feststellen.
  • Dass die Technik effektiv ist, hat ein Einsatz in Mainz gezeigt, wo innerhalb einer Stunde 20 Auto- und Lkw-Fahrer überführt werden konnten. 
  • Die hochauflösende Monocam wird unter anderem auf Autobahnbrücken platziert und erlaubt das Fotografieren des Fahrzeuginnenraums durch die Frontscheibe.
  • Das mobile System ist unabhängig von Wetter und Tageszeit einsatzfähig. Es übermittelt Daten per Livestream auf das polizeiliche Laptop.
  • Sobald die Monocam ein Mobiltelefon und die entsprechende Haltung Richtung der Ohren erkennt, wird geblitzt.
  • Die Polizisten vor Ort werten das Fotomaterial direkt aus.
  • Bestätigt sich der Verdacht und der Fahrer hat gegen das Handynutzungsverbot verstoßen, folgen die bereits genannten Sanktionen gemäß deutschem Bußgeldkatalog.

Verkehrsteilnehmer in Rheinland-Pfalz werden über Hinweisschilder auf die lokale Handyverbots-Überwachung hingewiesen.

Rheinland-Pfalz, dann Deutschland? Der Feldversuch entscheidet

Ob das Monocam-System später in ganz Rheinland-Pfalz zur Überwachung Verwendung finden wird, entscheiden die Verantwortlichen nach der Testphase in Mainz und Trier. Nach dem Feldversuch ist eine Ausweitung auf andere Bundesländer denkbar.

Rechtliche Bedenken – Datenschutzbeauftragter erwartet Einsprüche

Der Datenschutzbeauftragte Dieter Kugelmann sieht das Erheben von Bußgeldern während der Testphase von Monocams kritisch. Wie der Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Rheinland-Pfalz gegenüber der Deutschen Presse-Agentur Trier sagte, sei aufgrund der „wackeligen“ Rechtsgrundlage im Vorfeld davon abgeraten worden, bereits jetzt Bußgeldbescheide auszustellen.

Zur Begründung erklärte der Datenschutzexperte, dass die Kameras erst alle Fahrzeuge filmen und Bilder von Kennzeichen und Fahrzeugführer ohne Anlass gemacht werden. Obwohl das Bildmaterial erst gespeichert wird, wenn eine verbotene Handynutzung erkannt wird, ist aus Datenschutzsicht eine spezielle gesetzliche Grundlage nötig, um die vorherige Datenerfassung zu rechtfertigen.

Für Monocam wurden Augen zugedrückt

Wie unter sueddeutsche.de berichtet wird, erklärt das rheinland-pfälzische Innenministerium, dass die Daten bei Verstößen gegen das Handyverbot zur weiteren Bearbeitung der zentralen Bußgeldstelle bereitgestellt werden. Die Sprecherin des Ministeriums bestätigte, dass eine über die Testphase hinausgehende Verwendung von Monocam eine gesetzliche Grundlage erfordere.

„Nach Angaben von Kugelmann war eine von ihm angeregte Verpixelung der personenbezogenen Daten vor Feststellung von Verstößen laut Hersteller technisch nicht möglich gewesen“, heißt es im Onlineportal der Süddeutschen (aus dem dpa-Newskanal). Für das Pilotprojekt wurden die Augen „ein bisschen“ zugedrückt.

Der Datenschutzbeauftragte rechnet mit Einsprüchen gegen Bußgeldbescheide. In welchem Ausmaß Rechtsanwälte für Verkehrsrecht in den kommenden Monaten mit der Thematik beschäftigt sein werden, bleibt abzuwarten. Fest steht, dass bei 20 überführten Fahrern pro Stunde einiges zusammenkommen dürfte.

Autor: Fachanwalt.de

Symbolgrafik: © Minerva Studio - Fotolia.com

Diesen Artikel bewerten
Über den Autor





Weitere Artikel der Redaktion zum Thema
Verkehrsrecht Autofahrer darf auch Blitzer-App der Beifahrerin nicht nutzen

Karlsruhe (jur). Nutzt ein Autofahrer die „Blitzer-App“ auf dem abgelegten Mobiltelefon seiner Beifahrerin, muss er mit einer Geldbuße rechnen. Denn gegen das Verbot, sich Verkehrsüberwachungsmaßnahmen anzeigen zu lassen, wird auch dann verstoßen, wenn dies mit einem fremden Mobiltelefon geschieht, entschied das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe in einem am Donnerstag, 17. Februar 2023, bekanntgegebenen Beschluss (Az.: 2 ORbs 35 Ss9/23).  Damit muss ein 64-jähriger Mann aus dem Rhein-Neckar-Kreis wegen der Nutzung einer „Blitzer-App“ eine Geldbuße zahlen. Der Mann war am 31. Januar 2022 in Heidelberg zu schnell gefahren. Als die Polizei ihn anhielt, schob er ... weiter lesen

Verkehrsrecht Versehentliches Linksfahren ist nicht zwingend „rücksichtslos“

Zweibrücken. Menschen, die in Thailand sieben Wochen an den Linksverkehr gewöhnt waren und in bei der ersten Fahrt in Deutschland auch auf der linken Seite fahren, sind regelmäßig nicht „rücksichtslos“. Bei einem derartigen Verstoß gegen das in Deutschland geltende Rechtsfahrgebot ist von einer Unachtsamkeit und Fahrlässigkeit auszugehen. Dies entschied das Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken in einem kürzlich veröffentlichten Beschluss vom 28. November 2022 (Az.: 1 OLG 2 § 34/22). Mit dieser Entscheidung kann ein Autofahrer aus Rheinland-Pfalz auf eine mildere Strafe hoffen. Der Mann hatte sieben Wochen Urlaub in Thailand gemacht und kehrte am 2. Januar 2022 ... weiter lesen

Verkehrsrecht Verfassungsbeschwerde für Geschwindigkeitsbegrenzungen auf Autobahnen gescheitert

Karlsruhe. Bislang muss der Bund keine generellen Geschwindigkeitsbegrenzungen auf Autobahnen erlassen. Auch wenn der Bund bei fortschreitendem Klimawandel die Erreichung von Klimaschutzzielen verstärkt in den Entscheidungen muss, kann dafür nicht allein auf eine allgemeine Geschwindigkeitsbegrenzung auf Autobahnen abgestellt werden, entschied das Bundesverfassungsgericht in einem am Dienstag, 17. Januar 2023, veröffentlichten Beschluss (Az.: 1 BvR 2146/22). Die Richter in Karlsruhe habe damit die Verfassungsbeschwerde von zwei Bürgern als unzulässig abgewiesen. Diese hatten gerügt, dass der Gesetzgeber nicht genug tut, um die Klimaschutzziele zu erreichen. Sie forderten ... weiter lesen

Verkehrsrecht SUV-Fahren kein Grund für höheres Bußgeld im Straßenverkehr

Frankfurt/Main (jur). Fahrer eines dicken Autos dürfen wegen einer überfahrenen roten Ampel nicht mit einem extra dicken Bußgeld zur Kasse gebeten werden. Allein eine bei einem SUV-Pkw angenommene abstrakte Gefährdung oder „erhöhte“ Verletzungsgefahr kann ein höheres Bußgeld nicht begründen, entschied das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main in einem am Donnerstag, 20. Oktober 2022, bekanntgegebenen Beschluss (Az.: 3 Ss-OWi 1048/22). Allerdings blieb das OLG im Ergebnis bei dem erhöhten Bußgeld, da der Fahrer hinsichtlich von Verkehrsverstößen eine „gravierende Vorbelastung“ aufwies.  Im konkreten Fall wurde ein SUV-Fahrer dabei erwischt, wie er ... weiter lesen

Ihre Spezialisten