Verkehrsrecht

Handy-Blitzer "MonoCam" in Rheinland-Pfalz gestartet – bald in ganz Deutschland?

01.07.2022
 (6)
Zuletzt bearbeitet am: 09.02.2024

Mainz/Trier. Die Jagd auf Handysünder ist eröffnet. Zumindest in Rheinland-Pfalz. Denn im südwestlichen Bundesland ist im Juni 2022 ein Pilotprojekt gestartet, um Ablenkungsverstöße durch die Nutzung von Handys am Steuer zu überwachen. Zum Einsatz kommt das sogenannte Monocam-System, das die Polizei in den Niederlanden mit der Universität Utrecht entwickelt hat. Das Überwachungssystem wird nun sechs Monate auf den Straßen von Rheinland-Pfalz getestet. Was die innovative Technik kann und ob diese bald bundesweit Verwendung findet, ist nachfolgend thematisiert.

Handy am Steuer – Sanktionen für Verkehrssünder

Ablenkungen durch Handys beziehungsweise elektronische Geräte sind eine der häufigsten Ursachen für Verkehrsunfälle. Im Ernstfall endet die Spielerei am Mobiltelefon tödlich. Autofahrer gefährden sich damit nicht nur selbst, sondern auch andere Verkehrsteilnehmer und stellen ein erhebliches Sicherheitsrisiko im Straßenverkehr dar. Obwohl Ablenkungen durch Handys als Unfallursache lange nicht erfasst wurden und in der offiziellen Unfallstatistik komplett fehlten, sieht der Gesetzgeber aufgrund der erheblichen Gefahr ein Verbot und strenge Sanktionen vor:

  • Die manuelle Nutzung von Handys am Steuer ist laut § 23 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) verboten.
  • Verkehrsteilnehmer, die mit ihrem Smartphone telefonieren, simsen oder gar surfen und dabei keine Freisprechanlage beziehungsweise Vorlesefunktion nutzen, begehen eine Ordnungswidrigkeit.
  • Ein Verstoß gegen das Verbot zieht laut Bußgeldrechner von Bussgeldkatalog.org eine Geldbuße in Höhe von 100 Euro und einen Punkt im Fahreignungsregister in Flensburg nach sich.
  • Kommt es durch die Handyablenkung zu einer Gefährdung, beträgt das Bußgeld 150 Euro, der Punktestand in Flensburg steigt um zwei Punkte und hinzu kommt ein Monat Fahrverbot.
  • Verursacht die verbotene Verwendung von Mobilgeräten am Steuer eine Sachbeschädigung beziehungsweise einen Unfall, werden Handysünder mit 200 Euro Bußgeld, zwei Punkten und einem Monat Fahrverbot bestraft.

Trotz der Strafen halten sich viele Verkehrsteilnehmer nicht an die Vorschriften und gefährden mit ihrem Fehlverhalten sich und andere. Ein Umdenken ist jedoch in Sicht: 2021 wurde das bundesweite Unfallursachenverzeichnis um die Unfallursache Ablenkung im Sinne § 23 Abs. 1a StVO ("Nutzung elektronischer Geräte") mit eigener Schlüsselnummer ergänzt. Ein intelligentes Überwachungssystem könnte schon bald die Kontrollfunktion übernehmen.

Innovatives Kamerasystem überführt Handysünder

Die „Monocam“ soll es den Ordnungshütern erleichtern, das Verhalten am Steuer zu überwachen und Verstöße zu ahnden. Wie die Polizei Rheinland-Pfalz unter polizei.rlp.de erklärt, basiert das Pilotprojekt auf einer Kooperation mit der niederländischen Polizei, welche das Monocam-System bereits nutzt. „Bisher kommt in keinem anderen Bundesland ein vergleichbares System zum Einsatz“, heißt es im polizeilichen Beitrag.

  • Mit Hilfe der modernen Kameras lassen sich Ablenkungsverstöße erstmals automatisiert feststellen.
  • Dass die Technik effektiv ist, hat ein Einsatz in Mainz gezeigt, wo innerhalb einer Stunde 20 Auto- und Lkw-Fahrer überführt werden konnten. 
  • Die hochauflösende Monocam wird unter anderem auf Autobahnbrücken platziert und erlaubt das Fotografieren des Fahrzeuginnenraums durch die Frontscheibe.
  • Das mobile System ist unabhängig von Wetter und Tageszeit einsatzfähig. Es übermittelt Daten per Livestream auf das polizeiliche Laptop.
  • Sobald die Monocam ein Mobiltelefon und die entsprechende Haltung Richtung der Ohren erkennt, wird geblitzt.
  • Die Polizisten vor Ort werten das Fotomaterial direkt aus.
  • Bestätigt sich der Verdacht und der Fahrer hat gegen das Handynutzungsverbot verstoßen, folgen die bereits genannten Sanktionen gemäß deutschem Bußgeldkatalog.

Verkehrsteilnehmer in Rheinland-Pfalz werden über Hinweisschilder auf die lokale Handyverbots-Überwachung hingewiesen.

Rheinland-Pfalz, dann Deutschland? Der Feldversuch entscheidet

Ob das Monocam-System später in ganz Rheinland-Pfalz zur Überwachung Verwendung finden wird, entscheiden die Verantwortlichen nach der Testphase in Mainz und Trier. Nach dem Feldversuch ist eine Ausweitung auf andere Bundesländer denkbar.

Rechtliche Bedenken – Datenschutzbeauftragter erwartet Einsprüche

Der Datenschutzbeauftragte Dieter Kugelmann sieht das Erheben von Bußgeldern während der Testphase von Monocams kritisch. Wie der Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Rheinland-Pfalz gegenüber der Deutschen Presse-Agentur Trier sagte, sei aufgrund der „wackeligen“ Rechtsgrundlage im Vorfeld davon abgeraten worden, bereits jetzt Bußgeldbescheide auszustellen.

Zur Begründung erklärte der Datenschutzexperte, dass die Kameras erst alle Fahrzeuge filmen und Bilder von Kennzeichen und Fahrzeugführer ohne Anlass gemacht werden. Obwohl das Bildmaterial erst gespeichert wird, wenn eine verbotene Handynutzung erkannt wird, ist aus Datenschutzsicht eine spezielle gesetzliche Grundlage nötig, um die vorherige Datenerfassung zu rechtfertigen.

Für Monocam wurden Augen zugedrückt

Wie unter sueddeutsche.de berichtet wird, erklärt das rheinland-pfälzische Innenministerium, dass die Daten bei Verstößen gegen das Handyverbot zur weiteren Bearbeitung der zentralen Bußgeldstelle bereitgestellt werden. Die Sprecherin des Ministeriums bestätigte, dass eine über die Testphase hinausgehende Verwendung von Monocam eine gesetzliche Grundlage erfordere.

„Nach Angaben von Kugelmann war eine von ihm angeregte Verpixelung der personenbezogenen Daten vor Feststellung von Verstößen laut Hersteller technisch nicht möglich gewesen“, heißt es im Onlineportal der Süddeutschen (aus dem dpa-Newskanal). Für das Pilotprojekt wurden die Augen „ein bisschen“ zugedrückt.

Der Datenschutzbeauftragte rechnet mit Einsprüchen gegen Bußgeldbescheide. In welchem Ausmaß Rechtsanwälte für Verkehrsrecht in den kommenden Monaten mit der Thematik beschäftigt sein werden, bleibt abzuwarten. Fest steht, dass bei 20 überführten Fahrern pro Stunde einiges zusammenkommen dürfte.

Autor: Fachanwalt.de

Symbolgrafik: © Minerva Studio - Fotolia.com

Diesen Artikel bewerten
Über den Autor





Weitere Artikel der Redaktion zum Thema
Verkehrsrecht Bußgeld aus dem Ausland: Böse Überraschung nach dem Urlaub

Die Urlaubserinnerungen sind meist von schönen Momenten geprägt. Einmal im Straßenverkehr aber nicht aufgepasst, kann ein Bußgeldbescheid aus dem Ausland die sonnigen Rückblicke schnell trüben. Ob ein Fehler beim Parken oder das Übersehen der lokalen Verkehrsregeln. Die Folgen können oft teuer sein.  Gesetze im Straßenverkehr kennen: So schützen Sie sich vor Bußgeldern Jedes Land hat seine eigenen Verkehrsregeln. Viele davon sind auf den ersten Blick nicht sofort ersichtlich. Für Urlauber ist es daher wichtig, sich vorab über die Gegebenheiten im Reiseziel zu informieren. Bereits in den Nachbarländern kommt es nämlich zu wichtigen Änderungen im ... weiter lesen

Verkehrsrecht OLG Frankfurt urteilt: 52.500€ Schmerzensgeld für von Betrunkenem verletzte Fußgängerin

In einem aktuellen Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (OLG) mit dem Aktenzeichen 26 U 11/23 wurde einer Fußgängerin, die bei einem Verkehrsunfall schwer verletzt wurde, ein Schmerzensgeld von 52.500 Euro zugesprochen. Dieses Urteil berücksichtigt eine Teilschuld der Verletzten von 25%. Fußgängerin nach Unfall mit Betrunkenem schwer verletzt: Klage erfolgreich Eine Fußgängerin forderte von einem alkoholisierten Autofahrer nach einem Verkehrsunfall Schmerzensgeld und Schadensersatz. Der Fahrer, der mit einer Blutalkoholkonzentration von 0,96 Promille unterwegs war, erfasste die Frau in einer Kleinstadt in Mittelhessen, als sie gemeinsam mit vier ... weiter lesen

Verkehrsrecht Streit um Schadensersatz nach Tankstellen-Unfall

Das Amtsgericht München entschied in einem Fall um Schadensersatzansprüche nach einem Verkehrsunfall auf einem Tankstellengelände im Münchener Westen. Unter dem Aktenzeichen 336 C 6248/22 musste geklärt werden, welches Fahrzeug aufgefahren war, ein Sachverhalt, über den zwischen den Parteien Uneinigkeit herrschte. Streit um Schadensersatz nach Kollision auf Münchener Tankstellengelände Beim Verlassen einer Tankstelle im Münchener Westen bremste der Fahrer des Fahrzeugs der Klägerseite, um dem vorfahrtsberechtigten Verkehr den Vorrang zu gewähren. In diesem Moment kam es zur Kollision der beteiligten Fahrzeuge. Während die Klägerseite argumentierte, ... weiter lesen

Verkehrsrecht Rechtliche Beratung: Schlüsselaspekte für Ihre Rechtsfragen

Die Welt des Rechts kann komplex und verwirrend sein. Egal ob Sie Unternehmer, Privatperson oder einfach jemand sind, der sich in einem rechtlichen Dilemma befindet, die Bedeutung einer professionellen Rechtsberatung kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Dieser Artikel wird einen umfassenden Blick darauf werfen, wie rechtliche Beratung funktioniert, welche Schlüsselaspekte Sie beachten sollten, und wie Sie den richtigen Rechtsanwalt für Ihre individuellen Bedürfnisse finden. Grundlagen der Rechtsberatung Rechtsberatung ist mehr als nur die Lösung von Konflikten; es ist ein wesentlicher Bestandteil der Vorsorge und des Schutzes Ihrer Rechte. Ganz gleich, ob es um die ... weiter lesen

Ihre Spezialisten