Abstandsmessung – wie wird gemessen und welche Strafen bzw. Bußgelder drohen bei Verstößen?

Von fachanwalt.de-Redaktion, letzte Bearbeitung am: 23. März 2024

Die Abstandsmessung im Straßenverkehr ist eine Maßnahme zur Gewährleistung der Verkehrssicherheit. Sie dient dazu, Verstöße gegen die vorgeschriebenen Sicherheitsabstände zu ermitteln und entsprechende Bußgelder zu verhängen, wenn ein Fahrzeuglenker gegen die geltenden Regeln verstößt. Dabei spielen sowohl technische Hilfsmittel wie Videokameras und Abstandswarnsysteme eine Rolle als auch praktische Leitlinien wie die Halbierung der Tachometergeschwindigkeit oder die Zwei-Sekunden-Regel. Ein Verstoß kann erhebliche rechtliche Konsequenzen haben, einschließlich Geldbußen, Fahrverbote und strafrechtliche Verfolgung.

Was ist der richtige Sicherheitsabstand?

Sicherheitsabstand (© Stockwerk-Fotodesign - stock.adobe.com)
Sicherheitsabstand (© Stockwerk-Fotodesign - stock.adobe.com)
Die gesetzlichen Grundlagen bilden das Straßenverkehrsgesetz (StVG) und im Zusammenhang mit dem Sicherheitsabstand der § 4 der Straßenverkehrsordnung (StVO). Letzterem ist zu entnehmen, dass der Sicherheitsabstand so bemessen sein muss, dass jederzeit angehalten werden kann, wenn das vorausfahrende Fahrzeug abrupt bremst oder plötzlich zum Stillstand kommt.

Die Bestimmung des richtigen Sicherheitsabstands hängt von verschiedenen Faktoren ab, darunter die Geschwindigkeit, der Fahrzeugtyp und die Straßenbedingungen.

  • In städtischen Gebieten, wo die Geschwindigkeiten in der Regel niedriger sind, wird ein Abstand empfohlen, der einer Sekunde Fahrzeit entspricht. Bei einer Geschwindigkeit von 50 km/h sind dies etwa 15 Meter oder drei Fahrzeuglängen.
  • Auf Landstraßen und Autobahnen, wo höhere Geschwindigkeiten erlaubt sind, sollte der Abstand entsprechend größer sein. Eine Richtschnur zu Ermittlung des Abstandes ist die Hälfte des Tachometerwerts in Metern ausgedrückt. Bei 100 km/h wären das 50 Meter, was dann wieder rund 2 Sekunden entspricht.
Fachanwalt.de-Tipp: Es ist wichtig zu beachten, dass diese Abstände nur Richtwerte sind. Bei schlechten Straßenbedingungen, wie etwa bei Eis oder Nebel, sollte der Abstand entsprechend vergrößert werden. Auch wenn das vorausfahrende Fahrzeug seine Geschwindigkeit ändert, ist der Abstand ständig anzupassen.

Wie funktioniert die Abstandsmessung z. B. auf der Autobahn?

Die Abstandsmessung auf der Autobahn ist ein komplexer Prozess, der sowohl technische Hilfsmittel als auch menschliche Beurteilung erfordert. Die gängigsten Methoden zur Abstandsmessung sind:

Videokameras

Abstandmessung auf Autobahn (© Countrypixel - adobe.stock.com)
Abstandmessung auf Autobahn (© Countrypixel - adobe.stock.com)
Videokameras werden oft an Stellen montiert, die einen Überblick über den fließenden Verkehr (500 bis 800 Meter) geben und diesen aufnehmen. Anhand der Aufnahmen können die Behörden den Abstand zwischen den Fahrzeugen genau bestimmen.

Abstandswarner und ACC (Adaptive Cruise Control)

Diese modernen Technologien nutzen Radarsignale, um den Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug zu messen und den Fahrer zu warnen, wenn der Abstand zu gering wird.

Geschwindigkeits- und Zeitmessungen

Es gibt zwei Empfehlungen als „Faustformel“, an denen sich Fahrzeuglenker orientieren können:

  • Halber Tachowert außerhalb geschlossener Ortschaften: Wenn bspw. der Tacho 100 km/h anzeigt, dann sollte der Abstand zum vorderen Fahrzeug mindestens 50 Meter betragen. Um sich bei der Einschätzung leichter zu tun, kann man zu Analogien greifen: 50 Meter entsprechen bspw. der halben Länge eines Fußballfeldes oder eine Bahnlänge in einem olympischen Schwimmbecken. Auch an Gebäuden kann man sich orientieren. 15 Stockwerke entsprechen ebenfalls in etwa 50 Metern.
  • 2-Sekunden-Regel: Während der Fahrt kann man sich an einem markanten Punkt orientieren, bspw. einem Baum, Haus oder Verkehrszeichen. Wenn das Fahrzeug, das vorausfährt diese Stelle passiert, beginnt man zu zählen. Kommt man nach 2 Sekunden oder mehr an dieser Stelle vorbei, sollte der Sicherheitsabstand ausreichend sein.

Brückenabstandsmessung

Die Brückenabstandsmessung ist ein klassisches Verfahren zur Überwachung des Sicherheitsabstands auf Autobahnen und Schnellstraßen. Dabei werden zwei Videokameras auf Brücken installiert, die einen Straßenabschnitt von etwa 700 Metern überblicken. Beamte überwachen die Videoaufzeichnungen und lösen bei Verdacht auf einen Abstandsverstoß einen Blitzer aus, der ein Foto des Fahrers macht. Ein bekanntes System für diese Art der Überwachung ist VibrAM-Messung mit VSTP-Stoppuhr.

Police-Pilot-System (PPS)

Das Police-Pilot-System (PPS) bietet eine mobile Alternative zur stationären Abstandsmessung. In einem zivilen Polizeifahrzeug installiert, ermöglichen zwei Kameras die Erfassung von Geschwindigkeit und Sicherheitsabstand eines Autos während der Fahrt.

Abstandsmessung per Augenmaß

Die Messung im Straßenverkehr kann auch ohne technische Hilfsmittel durchgeführt werden. Hierbei folgen erfahrene Messbeamte einem Fahrzeug und schätzen den Abstand per Augenmaß. Obwohl diese Methode zugelassen ist, kann sie zu Messungenauigkeiten oder Fehlinterpretationen führen. Daher können Autofahrer in der Regel mit einem hohen Toleranzabzug rechnen.

Wird bei Abstandsmessung geblitzt?

Die Abstandsmessung im Straßenverkehr erfolgt in der Regel nicht durch herkömmliche „Blitzer“, sondern durch spezielle Methoden und Technologien, welche auf die Messung des Abstands zwischen Fahrzeugen ausgelegt sind. Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass geblitzt wird, wenn bspw. die Methode der VibrAM-Messung mit VSTP-Stoppuhr eingesetzt wird. Diese Geräte ergänzen die Aufnahmen von Videokameras, die zur Abstandsmessung eingesetzt werden.

Fachanwalt.de-Tipp: Abstandsmessverfahren haben manchmal ihre Schwachstellen und können daher fehleranfällig sein. Das eröffnet die Möglichkeit, erfolgreich einen Einspruch gegen eine Abstandsmessung einzulegen. Betroffenen ist zu empfehlen, sich an einen Fachanwalt für Verkehrsrecht zu wenden. Dieser kann Akteneinsicht beantragen und sowohl den Bußgeldbescheid als auch den Einspruch gegen die Abstandsmessung gründlich überprüfen.

Bußgelder und Strafen für Verstöße bei Abstandsmessung

Die Einhaltung des Sicherheitsabstands im Straßenverkehr ist nicht nur eine Frage der Sicherheit, sondern auch der Gesetze und Verordnungen.

Bei Abstandverstößen gelten folgende Strafen:

Geschwindigkeit

Gefahrensituation

Bußgeld
(zzgl. Auslagen/Gebühren)

Punkte

Fahrverbot

  • Unter 80 km/h
  • Ohne Gefährdung

€ 25,--

-

-

  • Mit Gefährdung

€ 30,--

-

-

  • Mit Sachbeschädigung

€ 35,--

-

-

  • Über 80 km/h

Mit Abstand vom halben Tachowert oder weniger:

  • 5/10

€ 75,--

1

-

  • 4/10

€ 100,--

1

-

  • 3/10

€ 160,--

1

-

  • 2/10

€ 240,--

1

-

  • 1/10

€ 320,--

1

-

  • Über 100 km/h

Mit Abstand vom halben Tachowert oder weniger:

  • 5/10

€ 75,--

1

-

  • 4/10

€ 100,--

1

-

  • 3/10

€ 160,--

1

1 Monat

  • 2/10

€ 240,--

1

2 Monate

  • 1/10

€ 320,--

1

3 Monate

  • Über 130 km/h

Mit Abstand vom halben Tachowert oder weniger:

  • 5/10

€ 100,--

1

-

  • 4/10

€ 180,--

1

-

  • 3/10

€ 240,--

2

1 Monat

  • 2/10

€ 320,--

2

2 Monate

  • 1/10

€ 400

2

3 Monate

Quelle: Abstandsmessung: Strafen und Bußgelder für Drängler | ADAC; Stand: Juli 2023.

Lohnt sich ein Einspruch gegen den Bescheid?

Wenn Sie einen Bußgeldbescheid wegen eines Abstandsverstoßes erhalten haben, fragen Sie sich möglicherweise, ob es sich lohnt, Einspruch einzulegen. Die Antwort auf diese Frage hängt von verschiedenen Faktoren ab, einschließlich der spezifischen Umstände Ihres Falls und der potenziellen Konsequenzen des Verstoßes.

Was spricht für einen Einspruch:

  • Fehler bei der Messung: Abstandsmessungen sind nicht immer 100 % genau und es kann zu Fehlern kommen. Wenn Sie glauben, dass die Messung in Ihrem Fall fehlerhaft war, könnte ein Einspruch gerechtfertigt sein.
  • Schwere der Strafe: Wenn die Strafe für den Verstoß besonders schwerwiegend ist (z. B. ein hohes Bußgeld oder ein Fahrverbot), könnte es sich lohnen, einen Einspruch zu versuchen.

Was spricht gegen einen Einspruch:

  • Zeit- und Kostenaufwand: Ein Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid kann zeitaufwendig sein und zusätzliche Kosten verursachen, insbesondere wenn Sie einen Anwalt beauftragen.
  • Unsicherer Ausgang: Es gibt keine Garantie, dass Ihr Einspruch erfolgreich sein wird. Es besteht immer das Risiko, dass er abgelehnt wird und Sie die Strafe trotzdem zahlen müssen.

Der Beginn des Verfahrenswegs, um die Rechtmäßigkeit eines Bußgeldbescheides zu prüfen, ist in der Regel die fristgerechte Einreichung eines schriftlichen Einspruchs bei der ausstellenden Behörde, die den Einspruch prüft und eine Entscheidung trifft. Wird der Einspruch zurückgewiesen, kann der Gerichtsweg beschritten werden.

Fachanwalt.de-Tipp: Ein Fachanwalt für Verkehrsrecht kann Ihnen dabei helfen, Ihren Fall zu bewerten, den Einspruch zu formulieren und Sie durch das Verfahren zu begleiten. Es ist immer ratsam, professionellen Rat einzuholen, bevor Sie eine Entscheidung treffen.

Wie Gerichte entscheiden

  • BGH, 13.12.2016 - VI ZR 32/16 bezieht sich auf die Verteilung der Haftung bei einem Auffahrunfall auf der Autobahn. Es geht um die Vermutung der Schuld des nachfolgenden Fahrers und die Unfähigkeit, einen Fahrstreifenwechsel des vorausfahrenden Fahrers nachzuweisen.
  • BGH VI ZR 177/10: Bei Auffahrunfällen auf Autobahnen wird in der Regel angenommen, dass der auffahrende Fahrer den Unfall durch Nichteinhaltung des Sicherheitsabstands, Unaufmerksamkeit oder unangepasste Geschwindigkeit verursacht hat.
  • BGH VI ZR 248/05: Hat die Nichteinhaltung des gebotenen Sicherheitsabstands den Unfall mitverursacht, ist der Verstoß gegen § 4 Abs. 1 StVO im Rahmen der Abwägung der beiderseitigen Verursachungsanteile grundsätzlich gegenüber jedem Mitverursacher zu berücksichtigen.

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