Scheinselbständigkeit vermeiden – Kriterien mit Checkliste prüfen

Von fachanwalt.de-Redaktion, letzte Bearbeitung am: 18. Januar 2024

Nicht jeder der als Selbstständiger auftritt, ist dies im sozialversicherungsrechtlichen Sinne auch. Wer formal als Selbstständiger auftritt, aber eigentlich in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis gem. § 7 Absatz 1 SGB IV steht, wird als Scheinselbstständiger bezeichnet. In diesem Fall hätte der Arbeitgeber die Sozialversicherungsbeiträge rückwirkend zu zahlen. Wann aber liegt eine Scheinselbständigkeit vor? Alles Wissenswerte erfahren Sie im Folgenden.

Definition: Was ist Scheinselbständigkeit?

Achtung: Scheinselbstständigkeit (© lhphotos - stock.adobe.com)
Achtung: Scheinselbstständigkeit (© lhphotos - stock.adobe.com)
Der Begriff der Scheinselbständigkeit beschäftigt sich mit der Frage: Bin ich nun selbstständig oder nicht? Relevant wird diese Frage, wenn es um die Beitragspflicht in den Sozialversicherungen geht. Als Scheinselbstständiger gilt, wer formal zwar wie selbstständig tätig auftritt, jedoch in Wahrheit ein abhängig Beschäftigter i.S.d. § 7 Absatz 1 SGB IV ist. Demnach zeichnet sich eine Beschäftigung (= nichtselbstständige Arbeit) durch eine Tätigung nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers aus. Wer also als Selbstständiger auftritt, aber eigentlich im Sinne der Sozialversicherung als abhängig beschäftigt gilt, wird als Scheinselbstständiger bezeichnet.

Für abhängig Beschäftigte gilt, dass sie als sozial besonders schutzbedürftig angesehen werden. Für sie gilt der Schutz der Sozialversicherungen und sie müssen ihrer Beitragspflicht in den Sozialversicherungen nachkommen. Konkret bedeutet dies, dass abhängig Beschäftigte ihre Beiträge für Kranken-, Pflege-, Renten- sowie Arbeitslosenversicherung zu zahlen haben – während es Selbstständigen hingegen selbst überlassen ist, sich entsprechend abzusichern. Eine Beitragspflicht für Selbstständige besteht daher nicht. Wer also nun als Selbstständiger auftritt, aber eigentlich im Sinne der Sozialversicherung als abhängig beschäftigt gilt, kommt seiner Beitragspflicht in den Sozialversicherungen nicht nach. Die Folge können Nachzahlungen sein, die fällig werden.

Ob von einer Selbstständigkeit oder doch von einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis auszugehen ist, kommt auf die Umstände im Einzelfall an. Es wird dabei das Gesamtbild der tatsächlichen Ausgestaltung der Tätigkeit berücksichtigt. Die Unterscheidung zwischen selbstständiger und abhängiger Beschäftigung ist dabei nicht immer einfach, sondern kann sich sehr komplex gestalten. Grundsätzlich kann es bei allen Selbstständigen, die Auftragsarbeiten durchführen, dazu kommen, dass sie als Scheinselbstständige eingestuft werden könnten. Einige Branchen und Berufsbilder bringen ein besonderes Risiko der Scheinselbständigkeit mit sich. Dazu gehören u.a. IT-Berater, Lehrkräfte, Immobilienmakler, Kurierfahrer, Programmierer, Grafikdesigner, Handwerker, Honorarärzte und Reinigungskräfte.

Ob von einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung ausgegangen werden kann, oder doch eine Selbstständigkeit vorliegt, kann im Rahmen des sogenannten Statusfeststellungsverfahren herausgefunden werden. Auftragnehmer und Auftraggeber können sich so Klarheit verschaffen und jeder für sich oder auch gemeinsam die gewünschte Auskunft einholen, § 7a SGB IV. Dafür müssen sie sich schriftlich an den Deutschen Rentenversicherung Bund wenden. Das Anfrageverfahren bzw. Statusfeststellungsverfahren kann immer nur für ein Vertragsverhältnis erfolgen. Arbeitet man also mit mehreren Auftraggebern zusammen, so muss auch jedes einzelne Vertragsverhältnis geprüft werden.

Fachanwalt.de-Tipp: Entsprechende Antragsformulare für das Statusfeststellungsverfahren stehen auf der Webseite der Deutschen Rentenversicherung bereit. In jedem Fall sollte an dieser Stelle ein Fachanwalt für Arbeitsrecht hinzugezogen werden. Denn bereits das Ausfüllen des Antragsformulars bringt einige Hürden mit sich, da rechtliche Wertungen abgefragt werden. Hier sollte man sich auf die kompetente Einschätzung eines Anwalts verlassen.

Die Entscheidung über den Antrag zum Statusfeststellungsverfahren obliegt dem Deutschen Rentenversicherung Bund. Dazu wird eine Gesamtwürdigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls vorgenommen.

Sollte im Rahmen des Statusfeststellungsverfahrens ein Beschäftigungsverhältnis festgestellt werden, tritt eine rückwirkend geltende Sozialversicherungspflicht ein. Sie gilt rückwirkend ab dem Zeitpunkt, in dem in das Beschäftigungsverhältnis eingetreten wurde. Wer den Statusfeststellungsbescheid als unzutreffend erachtet, kann dagegen Widerspruch erheben. Sollte dies keinen Erfolg haben, besteht auch die Möglichkeit, den Klageweg zu beschreiten. Auch wenn das Hinzuziehen eines Anwalts hierbei nicht zwingend erforderlich ist, ist es in jedem Fall aufgrund der rechtlichen Komplexität des Sachverhalts dringend empfehlenswert. Hier finden Sie einen Fachanwalt in Ihrer Nähe.

Die Prüfung von Scheinselbständigkeit

Prüfung der Scheinselbständigkeit (© vegefox.com - stock.adobe.com)
Prüfung der Scheinselbständigkeit (© vegefox.com - stock.adobe.com)
Wird eine Prüfung der Scheinselbständigkeit durchgeführt, schaut man sich zum einen die geschlossenen Verträge sowie die tatsächlichen Verhältnisse und Bedingungen an, die im Berufsalltag herrschen. Es liegt an den Prüfern, entsprechende Beweise für eine Scheinselbständigkeit ausfindig zu machen und die Scheinselbständigkeit nachzuweisen.

Von einer Scheinselbständigkeit kann regelmäßig ausgegangen werden, wenn folgende drei Kriterien erfüllt sind:

  1. Der Selbstständige beschäftigt selbst regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Mitarbeiter.
  2. Der Selbstständige ist außerdem dauerhaft für einen einzigen Auftraggeber tätig (>83%).
  3. Die Aufträge dieses Auftraggebers machen 5/6 des Umsatzes des Selbstständigen aus.

Hinzu kommt immer auch, dass geprüft wird, ob eine Weisungsbefugnis des Auftraggebers vorliegt. Übt der Auftraggeber entsprechende Kontroll- und Steuerungsmöglichkeiten aus, wodurch die unternehmerische Entscheidungsfreiheit des Selbstständigen eingeschränkt wird? Auch das spricht für eine Scheinselbständigkeit.

Strafe und Folgen

Ist nach Prüfung von einer Scheinselbständigkeit auszugehen, ist der Auftraggeber dazu verpflichtet, den Gesamtsozialversicherungsbeitrag zu zahlen – auch rückwirkend. Die rückwirkende Zahlungspflicht besteht bis zur Verjährungsgrenze von 4 Jahren. Weiterhin muss der Auftraggeber die Lohnsteuer für die Dauer der Zusammenarbeit nachzahlen. Es gelten dieselben Haftungs- und Zahlungsverpflichtungen wir für normale Angestellte.

Fachanwalt.de-Tipp: Ist von einer vorsätzlichen Vorenthaltung der Beiträge auszugehen, erhöht sich die Verjährungsfrist auf 30 Jahre. Außerdem kann § 266a StGB einschlägig sein, wenn Sozialversicherungsbeiträge vorsätzlich nicht gezahlt wurden, so dass aus mit einer strafrechtlichen Verfolgung gerechnet werden muss.

Nicht zwangsläufig gleichzusetzen ist ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis im sozialversicherungsrechtlichen Sinne im Übrigen mit der für das Finanzamt relevanten Arbeitnehmereigenschaft. Sollte jedoch das Finanzamt davon ausgehen, dass die Arbeitnehmereigenschaft zu bejahen ist, wäre die ganze Zeit Umsatzsteuer gezahlt worden, ohne dass dies nötig gewesen wäre. Diese Zahlungen wären dann rückabzuwickeln. Die ausgewiesene Umsatzsteuer auf den Rechnungen des Scheinselbstständigen wäre dann unwirksam und der von ihm getätigte Vorsteuerabzug unzulässig.

Auch für den Auftragnehmer selbst treten Konsequenzen ein. Gilt der Beschäftigte auch arbeitsrechtlich als Arbeitnehmer, kommt er nun in den Genuss von Arbeitnehmerschutzrechten, darunter etwa Kündigungsschutz und Urlaubsanspruch. Wird festgestellt, dass ein ausschließlich abhängiges Beschäftigungsverhältnis vorliegt, muss auch das Gewerbe abgemeldet werden. Der Beschäftigte ist dann auch kein Mitglied mehr in der Industrie- und Handelskammer.

Sowohl für die Träger der Sozialversicherung als auch für das Finanzamt beginnt bei Feststellung von Scheinselbständigkeit die Rechenarbeit. Was der Auftragnehmer verdient hat, gilt als dessen Nettoverdienst. Daraus folgen Nachzahlungen für Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge. Das Finanzamt wird dann sehr wahrscheinlich rückwirkend die Zahlung von Lohnsteuer geltend machen. Dies geht ebenfalls für bis zu 4 Jahre rückwirkend. Im Falle einer vorsätzlichen Scheinselbständigkeit, erhöht sich die Verjährungsfrist ebenfalls wieder auf bis zu 30 Jahre, so dass mitunter sehr lange mit Rückzahlungsforderungen oder Bußgeldern gerechnet werden muss.

Neuste Urteile

Aktuelle Urteile (© Andrey Popov - stock.adobe.com)
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Die Frage „Scheinselbständigkeit oder nicht“ hat auch bereits vielfach die Gerichte beschäftigt.

Im Folgenden einige der aktuelleren Urteil in diesem Zusammenhang:

  • Der Transportfahrer (Landessozialgericht NRW, L 8 BA 78/18)

In diesem Urteil des Landessozialgerichts vom 22.06.2020 ging es um einen selbstständigen Landwirt (Kläger), der für verschiedene Auftraggeber Transportfahrten durchführte. Die Transportfahrten wurden unregelmäßig vorgenommen und mit pauschalen Tagessätzen bezahlt. Der Kläger verfügte über kein eigenes Fahrzeug. Für die Fahrten wurde ihm entweder ein Fahrzeug bereitgestellt, das dem Transportunternehmen selbst gehörte oder von diesem angemietet wurde. Durch den Rentenversicherungsträger wurde eine Betriebsprüfung durchgeführt, in deren Rahmen eine Versicherungspflicht des Landwirtes bejaht wurde. Dass der Kläger kein eigenes Fahrzeug nutzte, sondern ihm ein solches kostenfrei durch den Auftraggeber zur Verfügung gestellt wird, legt eine Scheinselbständigkeit nahe. Der Kläger war hier in die Betriebsorganisation des Auftraggebers eingegliedert. Auch lag das Investitionsrisiko beim Auftraggeber und nicht beim Kläger.

  • Der Physiotherapeut (Landessozialgericht Baden-Württemberg Aktenzeichen L 4 BA 75/20)

In diesem Urteil vom 16. Juli 2021 ging es um einen selbstständigen Physiotherapeuten mit eigener Praxis. Zusätzlich arbeitete er in einer anderen Praxis als freier Mitarbeiter. Die Einteilung seiner Arbeitszeit war ihm freigestellt. Auch musste er keine konkreten Weisungen durch die Kollegen befolgen. Die Patienten, die er behandelte, wurden ihm jedoch durch die Praxis vermittelt. Zudem erfolgten die Behandlungen in keinen eigenen Räumlichkeiten und der Physiotherapeut griff auf Geräte der Praxis zurück statt auf eigene. Ebenfalls nutzte er das Abrechnungssystem der Praxis. Damit kam das Gericht zu dem Ergebnis, dass hier von einer abhängigen Beschäftigung und damit von einer Scheinselbständigkeit auszugehen ist.

  • Der Finanzberater (Sozialgericht Frankfurt, Aktenzeichen S 18 BA 93/18)

In diesem Urteil vom 8. März 2021 ging es um einen Finanzberater, der für eine Großbank tätig war. Dort war er offiziell als Selbstständiger beauftragt. Er arbeitete als Handelsvertreter für lediglich einen Auftraggeber. Nur dann, wenn es zu einem Geschäftsabschluss kam, erzielte er auch einen Verdienst. Laut Rentenversicherungsträger sei jedoch davon auszugehen, dass der Finanzberater weder in der Gestaltung seiner Arbeitszeit noch in der Wahl des Arbeitsortes frei war. Zudem hatte er Weisungen zu folgen, was die Ansprache der Kunden betraf und er musste einem vorgeschriebenen Berichtswesen folgen. Sowohl Gericht als auch Rentenversicherung sahen daher ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis als gegeben. Daher träfe die Bank nun die Pflicht zur Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen.

  • Fahrlehrer ohne Fahrschulerlaubnis (Landessozialgericht Hessen, Aktenzeichen L 1 BA 15/18)

In einem Urteil vom 4.6.2020 entschied das hessische Landessozialgericht, dass Fahrlehrer ohne Fahrschulerlaubnis als abhängig Beschäftigte anzusehen sind. Davon sei auch dann auszugehen, wenn die Fahrlehrer ein eigenes Fahrzeug nutzen, für das sie auch die Betriebskosten selbst tragen.

  • Der Detektiv (Landessozialgericht Darmstadt, Aktenzeichen L 1 BA 27/18)

Wird ein Detektiv von einer Detektei nach Stunden bezahlt und ist im Namen der Detektei tätig, ist aufgrund des fehlenden Unternehmerrisikos von einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis auszugehen. Daher unterliegt der Detektiv der Sozialversicherungspflicht.

  • Der Notarzt (Bundessozialgericht, u.a. Aktenzeichen B 12 KR 29/19 R)

Gleich in drei Fällen kam das Bundessozialgericht zu dem Urteil, dass ein Arzt, der im Nebenjob regelmäßig als Notarzt im Rettungsdienst tätig ist, währenddessen regelmäßig als sozialversicherungspflichtig beschäftigt einzustufen ist.

  • Die Telefonsexdienstleisterin (Landesarbeitsgericht Köln, Aktenzeichen 9 Ta 98/20)

Das Landesarbeitsgericht Köln hatte sich mit der Arbeitnehmereigenschaft einer Telefonsexdienstleisterin zu befassen, die ihre Tätigkeit als Freiberuflerin ausübte, und kam zu dem Schluss, dass die Telefonsexdienstleisterin als Arbeitnehmerin anzusehen ist, wenn eine Einbindung in fremde betriebliche Arbeitsstrukturen mit einseitiger Steuerung und Kontrolle der Betriebsabläufe gegeben ist. Die Telefonistin wurde bei der Betreiberin der Sex-Hotline als freie Mitarbeiterin geführt, verrichtete ihre Arbeit aber ausschließlich im Gebäude der Betreiberin. Darüber hinaus erfolgte eine permanente Überwachung. U.a. musste auch ihr Smartphone abgegeben werden. Unter Berücksichtigung aller Gesamtumstände, bejahte das Landesarbeitsgericht schließlich die Arbeitnehmereigenschaft. Die Hotline-Betreiberin hat die Telefonistin in ihre Arbeitsorganisation eingegliedert und stark Einfluss auf deren Verhalten und die zu erbringenden Leistungen genommen. Die Telefonistin konnte sich so selbst nicht unternehmerisch entfalten.

Scheinselbständigkeit vermeiden – unsere Tipps

Checkliste für Ihre Prüfung (© Ralf Geithe - stock.adobe.com)
Checkliste für Ihre Prüfung (© Ralf Geithe - stock.adobe.com)
Da die Scheinselbständigkeit sowohl für den Auftragnehmer wie auch Auftraggeber merkliche finanzielle wie auch rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen kann, sollte sie von vornherein vermieden werden.

Hierbei sollen folgende Tipps helfen:

  • Es liegt an jedem, sich selbst zu informieren

Selbstständige sind in der Pflicht, sich entsprechend zu informieren. Hierbei kann auch ein Fachanwalt für Arbeitsrecht helfen, der die konkrete Situation korrekt einschätzt. Nichts tun und den Dingen ihren Lauf lassen, ist angesichts der möglichen gravierenden Konsequenzen nicht ratsam. Wie auch in jedem anderen Bereich des Lebens gilt auch bei der Scheinselbständigkeit: Unwissenheit schützt vor Strafe nicht. Es ist auch wichtig, dass Auftragnehmer und Auftraggeber klar über das Thema Scheinselbständigkeit kommunizieren und hier beidseitig darauf achten, Missverständnisse auszuschließen. Die Verantwortung liegt gleichermaßen bei Auftraggeber und Auftragnehmer. Der Auftragnehmer sollte dem Auftraggeber gegenüber klar kommunizieren, wie er seine Aufträge handhaben wird und wie er beispielsweise auch seinen Urlaub plant. Eine klare Abgrenzung lässt sich beispielsweise auch dadurch erreichen, dass der Auftragnehmer eigene Arbeitskleidung trägt, durch die man ihn von den restlichen Mitarbeitern unterscheiden kann.

  • Einen genauen Blick auf den Dienstvertrag werfen

Der Dienstvertrag sollte immer einer genauen Prüfung unterzogen werden, bevor er unterzeichnet wird. Für den Auftragnehmer ist es von besonderer Bedeutung sicherzustellen, dass er sowohl seine unternehmerische Entscheidungsfreiheit als auch sein unternehmerisches Risiko weiterhin noch selbst trägt. Gibt er diese durch Vertragsunterzeichnung an den Auftraggeber ab, erhöht dies das Risiko einer Scheinselbständigkeit. Dem Vertrag sollte ein klarer Hinweis zu entnehmen sein, dass keinerlei Weisungspflicht besteht.

Der Auftraggeber kann sich per Vertrag auch dahingehend etwas absichern, indem ein Passus aufgenommen wird aus dem hervorgeht, dass der Auftragnehmer regelmäßig Nachweise darüber abliefert, dass er auch noch weiteren Aufträgen nachgeht und nicht allein von diesem Auftraggeber abhängig ist. Auch dass der Auftragnehmer eine selbstständige Versicherung abschließt und selbst für die Abführung gesetzlicher Abgaben verantwortlich ist, kann vertraglich geregelt werden. Der Vertrag kann noch um weitere Aspekte ergänzt werden, die darauf schließen lassen, dass es sich um eine echte Selbstständigkeit und nicht um eine Scheinselbständigkeit handelt. So kann u.a. auch vertraglich geregelt werden, dass der Auftragnehmer Hilfskräfte als eigene Mitarbeiter einsetzen kann. Ebenso lässt sich genau festlegen, welches Honorar er für welche Tätigkeit erhält und wie hoch die Nutzungsgebühr für Arbeitsmittel ausfällt.

  • Unternehmerische Freiheiten sicherstellen

Ein weiterer Punkt, mit dem sich eine Scheinselbständigkeit vermeiden lässt ist, dass der Auftragnehmer auf eine möglichst große Entscheidungsfreiheit achtet. Das geht u.a. dadurch, dass für die Auftragsvergabe, die Zeit- und Aufwandserfassung oder auch für die Rechnungsstellung unterschiedliche Software-Programme zum Einsatz kommen.

  • Eignen Arbeitsplatz einrichten

Eine Trennung sollte bestenfalls auch bei den Räumlichkeiten erfolgen. Wenn der Auftragnehmer einen (zusätzlichen) eigenen Arbeitsplatz hat, deutet dies auf seine unternehmerischen Freiheiten hin und spricht klar gegen eine Scheinselbständigkeit. Daher ist es auch durchaus sinnvoll, wenn der Auftragnehmer seine eigenen Arbeitsmittel mitbringt und sich hier nicht allein auf die Bereitstellung der Arbeitsmittel durch den Auftraggeber verlässt.

  • Die Deutsche Rentenversicherung Bund kontaktieren

Der Auftragnehmer kann sich innerhalb der ersten 3 Monate nach Beginn der Tätigkeit an die Deutsche Rentenversicherung Bund wenden und einen Antrag auf Befreiung von der Rentenversicherungspflicht stellen. Diese gilt für die ersten 3 Jahre der Selbstständigkeit. Eine solche Befreiung ist möglich, wenn regelmäßig keine versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigt werden und der Auftragnehmer dauerhaft lediglich für einen Arbeitnehmer arbeitet.

Scheinselbständigkeit Kriterien prüfen mit Checkliste

Es gibt verschiedene Kriterien, die das Vorliegen einer Scheinselbständigkeit im sozialversicherungsrechtlichen Sinne nahelegen.

Anhaltspunkte für eine Scheinselbständigkeit:

  1. Es gelten feste Arbeitszeiten – z.B. bei Schichtdienst.
  2. Der Auftraggeber ist unmittelbar weisungsbefugt.
  3. Es werden feste Bezüge gezahlt.
  4. Es besteht ein Urlaubsanspruch und die Urlaubszeiten werden in Absprache mit den anderen Arbeitnehmern festgelegt.
  5. Der Auftragnehmer ist fest in Prozesse oder die Infrastruktur des Auftraggebers integriert.
  6. Es wird in den Räumen des Auftraggebers gearbeitet.
  7. Es erfolgt eine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.
  8. Es besteht die Pflicht, regelmäßig Bericht über die Leistung zu erstatten.

Die genannten Kriterien sind als Anhaltspunkte zu verstehen. Es kommt letztlich immer auf die Beurteilung im konkreten Einzelfall an. So kann es auch möglich sein, dass es Indizien für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis gibt, aber ebenso Indizien für eine Selbstständigkeit, welche letztlich dann überwiegen.

Als Indizien für eine Selbstständigkeit im sozialversicherungsrechtlichen Sinn können indes u.a. folgende Anhaltspunkte herangezogen werden:

Indizien für eine Selbstständigkeit:

  1. Es wird ein eigener Unternehmensauftritt gepflegt.
  2. Der Selbstständige arbeitet in einer eigenen Betriebsstätte.
  3. Es besteht entweder keine oder lediglich eine geringe Einbindung in die interne Organisation des Auftraggebers. So wird beispielsweise an keinen oder nur unregelmäßig an Meetings teilgenommen.
  4. Es wird nicht über einen längeren Zeitraum lediglich für einen Auftraggeber gearbeitet.
  5. Es besteht nur ein geringes Maß an Weisungsgebundenheit gegenüber dem Auftraggeber.
  6. Der Selbstständige legt Ort und Zeitplanung selbst fest.

Auftraggeber und Auftragnehmer können im Rahmen eines Selbstchecks einen ersten Eindruck davon gewinnen, ob von einer Scheinselbständigkeit oder von einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis auszugehen ist. Um tatsächliche rechtliche Sicherheit zu erlangen, genügt ein kurzer Selbstcheck jedoch nicht. Dafür muss eine Gesamtwürdigung sämtlicher Umstände im konkreten Einzelfall erfolgen. Sollte eine oder mehrere der folgenden Fragen mit „Nein“ beantwortet werden, könnte eine Scheinselbständigkeit vorliegen.

Selbstcheck:

  1. Kann der Arbeitnehmer seine Arbeitszeiten selbst bestimmen?
  2. Ist der Auftragnehmer frei von Weisungen des Auftraggebers?
  3. Entscheidet der Auftragnehmer in der Regel frei, wo er arbeitet?
  4. Arbeitet der Auftragnehmer, ohne kontrolliert oder durch spezielle Hard- oder Software überwacht zu werden?
  5. Kann der Auftragnehmer arbeiten, ohne regelmäßige Berichte über seine Arbeit erstellen zu müssen?
  6. Stellt sich der Auftragnehmer nach außen hin als Selbstständiger dar (z.B. durch eigenes Briefpapier oder Visitenkarten mit dem Namen des eigenen Unternehmens)?

FAQ zur Scheinselbständigkeit

Was bedeutet Scheinselbständigkeit?

Scheinselbständigkeit bezeichnet eine Situation, in der eine Person als selbständiger Unternehmer auftritt, tatsächlich aber in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis steht, das die Merkmale eines regulären Arbeitsverhältnisses erfüllt. Das deutsche Recht, insbesondere § 7 Sozialgesetzbuch (SGB) IV, definiert die Kriterien für eine abhängige Beschäftigung.

Zu den zentralen Merkmalen einer abhängigen Beschäftigung gehören:

  • Weisungsgebundenheit: Der Arbeitnehmer ist an Weisungen des Arbeitgebers bezüglich Zeit, Ort und Inhalt der Arbeitsleistung gebunden.
  • Integration in den Betrieb: Der Arbeitnehmer ist in die Arbeitsorganisation des Betriebes eingegliedert.
  • Keine Unternehmerrisiko: Der Arbeitnehmer trägt kein eigenes wirtschaftliches Risiko.

Ein Beispiel für Scheinselbständigkeit könnte sein, wenn ein Freiberufler nur für einen Auftraggeber tätig ist, seine Arbeit von diesem Auftraggeber kontrolliert wird und er keine eigenen Betriebsmittel hat.

Was sind die rechtlichen Konsequenzen der Scheinselbständigkeit?

Die rechtlichen Konsequenzen der Scheinselbständigkeit können erheblich sein. Sie betreffen sowohl den vermeintlichen Selbständigen als auch den Auftraggeber. Wenn ein Beschäftigungsverhältnis als Scheinselbständigkeit eingestuft wird, müssen die Sozialversicherungsbeiträge nachgezahlt werden (§§ 7a, 28p SGB IV). Zudem können Strafzahlungen und Bußgelder drohen (§§ 266a, 370 Abgabenordnung (AO)). Außerdem hat der Betroffene Anspruch auf alle Rechte, die einem regulären Arbeitnehmer zustehen, wie etwa Urlaubsanspruch oder Kündigungsschutz.

Hierzu sind folgende Punkte zu beachten:

  1. Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen: Sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber können zur Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen verpflichtet werden.
  2. Straf- und Bußgelder: Bei vorsätzlicher oder fahrlässiger Verschleierung der wahren Art des Arbeitsverhältnisses können Straf- und Bußgelder verhängt werden.
  3. Arbeitnehmerrechte: Wenn eine Scheinselbständigkeit aufgedeckt wird, erhält der Betroffene alle Rechte eines regulären Arbeitnehmers, einschließlich Urlaubsanspruch, Kündigungsschutz und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall.

Wie kann man Scheinselbständigkeit vermeiden?

Die Vermeidung von Scheinselbständigkeit erfordert ein hohes Maß an Sorgfalt und Transparenz sowohl von Auftraggebern als auch Auftragnehmern. Es ist wichtig, sich der Merkmale bewusst zu sein, die auf eine Scheinselbständigkeit hindeuten können, und Vertragsbedingungen zu schaffen, die eindeutig ein selbständiges Unternehmertum widerspiegeln. Die Deutsche Rentenversicherung bietet hierfür das sogenannte Statusfeststellungsverfahren an (§ 7a SGB IV). Hier sind einige Schritte, die dazu beitragen können, die Scheinselbständigkeit zu vermeiden:

  1. Klare Vertragsbedingungen: Der Vertrag sollte klarstellen, dass der Dienstleister nicht weisungsgebunden ist und seine Arbeitszeiten und -methoden frei bestimmen kann.
  2. Mehrere Auftraggeber: Ein Selbständiger sollte möglichst für mehrere Auftraggeber tätig sein, um nicht als abhängig von einem einzigen Auftraggeber angesehen zu werden.
  3. Unternehmerrisiko: Der Selbständige sollte ein eigenes Unternehmerrisiko tragen, zum Beispiel indem er in eigene Betriebsmittel investiert und seine Preise frei gestalten kann.
  4. Statusfeststellungsverfahren: Bei Unklarheiten über den Status kann bei der Deutschen Rentenversicherung ein Antrag auf Statusfeststellung gestellt werden. Dieses Verfahren liefert Rechtssicherheit, ob es sich um ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis oder eine selbständige Tätigkeit handelt.

Ein Beispiel dafür, wie man Scheinselbständigkeit vermeiden kann, wäre ein freier Grafikdesigner, der für mehrere Kunden arbeitet, seine eigenen Werkzeuge und Software nutzt, seine Preise selbst festlegt und seine Arbeitszeit und -methode selbst bestimmt.

Was ist das Statusfeststellungsverfahren?

Das Statusfeststellungsverfahren ist ein Verfahren der Deutschen Rentenversicherung Bund, durch das der sozialversicherungsrechtliche Status einer Person festgestellt wird (§ 7a SGB IV). Im Rahmen dieses Verfahrens wird geklärt, ob eine Person als Selbständiger oder als abhängig Beschäftigter anzusehen ist. Das Verfahren beinhaltet folgende Schritte:

  1. Antragstellung: Der Auftraggeber, der Auftragnehmer oder eine Sozialversicherungsträger können das Verfahren beantragen.
  2. Prüfung: Die Deutsche Rentenversicherung Bund prüft die Beschäftigungsverhältnisse anhand der gesetzlichen Kriterien.
  3. Entscheidung: Auf Basis der Prüfungsergebnisse trifft die Deutsche Rentenversicherung Bund eine verbindliche Entscheidung über den Status des Beschäftigungsverhältnisses.
  4. Rechtsmittel: Gegen die Entscheidung der Deutschen Rentenversicherung Bund kann Widerspruch eingelegt und ggf. ein sozialgerichtliches Verfahren eingeleitet werden.

Durch dieses Verfahren kann Rechtssicherheit erlangt werden, um so das Risiko einer Scheinselbständigkeit zu minimieren.

Welche Rolle spielen Auftraggeber bei der Scheinselbständigkeit?

Auftraggeber spielen eine zentrale Rolle bei der Scheinselbständigkeit. Sie haben sowohl rechtliche Verantwortung als auch Haftungsrisiken. Sie sind dafür verantwortlich, den Status ihrer Auftragnehmer korrekt zu bewerten und die entsprechenden Sozialversicherungsbeiträge zu zahlen. Falls sie dies nicht tun und es stellt sich heraus, dass es sich um ein Scheinselbständigkeitsverhältnis handelt, können sie zur Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen und möglichen Strafzahlungen verpflichtet werden (§§ 7a, 28p SGB IV, §§ 266a, 370 AO). Die Rolle des Auftraggebers umfasst dabei unter anderem:

  • Beurteilung des Status: Der Auftraggeber muss den Status seiner Auftragnehmer beurteilen und entsprechend handeln.
  • Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge: Wenn der Auftragnehmer als abhängig Beschäftigter eingestuft wird, ist der Auftraggeber für die Abführung der Sozialversicherungsbeiträge verantwortlich.
  • Risiko von Nachzahlungen und Strafen: Bei Fehleinschätzungen oder Missachtung der Regeln drohen Nachzahlungen und Strafzahlungen.

Als Auftraggeber ist es daher wichtig, sich gut über die Rechtslage zu informieren und bei Unklarheiten möglicherweise das Statusfeststellungsverfahren zu nutzen.


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